Sonntag 26. 12. Fest der Hl. Familie

Sie haben hoffentlich alle gute Feiertage hinter sich gebracht. Die allermeisten werden diese mit der Familie oder mit Teilen eben dieser Familie verbracht haben. Den Menschen also, die einem bei allem was auch Freunde bedeuten können, am nächsten stehen, mit denen man durch dick und dünn geht. Nicht immer ist es einfach, aber Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern tauscht man nicht einfach aus; sie sind ein Teil von einem selbst, gehören zu einem- unwiderruflich.

Zwei Texte haben wir eben gehört, die ein paar Aspekte dessen beleuchten, was Familie bedeutet:

Im AT ging es um das Verhältnis der Kinder zu den Eltern. Es ging um die Achtung, die man diesen entgegenbringen soll, das Verständnis für diese, wenn sie alt werden und der Verstand nachlässt, wie es dort heißt. Dem Sohn wird aufgetragen, dem Vater das Schwächerwerden des Geistes nachzusehen- und sicher sind die Mütter genauso gemeint wie die Töchter. Der Kindergeneration wird eine Sorge um die Elterngeneration aufgegeben.

Das nun kennen viele hier in unserer Gemeinde, da gerade die mittlere  Generation hier besonders stark vertreten ist. Wie viele haben doch Eltern, die sich nun langsam dem Ende ihres Lebens nähern, die mit den Schwächen des Alters fertig werden müssen. Manchen gelingt es ganz gut, für andere ist der letzte Abschnitt des Lebens eine wahre Tortur der Schwäche und des „Nicht-loslassen-könnens“ – und damit auch für deren Kinder.

Wie viele hier müssen damit fertig werden, sich nicht so um die Eltern kümmern zu können wie man sich das wünschen würde. Wie viele sind aber auch gleichzeitig froh, nicht ständig vor Ort sein zu müssen, um das Altwerden der Mutter, des Vaters mit anzusehen. Denn es schleicht sich ja nicht nur eine Traurigkeit über das kommende Ableben der Eltern ein, sondern auch eine Erinnerung an die eigene Sterblichkeit. Die Eltern werden zu einem Spiegelbild einer möglichen eigenen Zukunft. Auf der Höhe des eigenen Lebens schaut man in die  unvermeidliche Schwäche des irgendwann anstehenden eigenen Vergehens.

Das macht es noch schwieriger als es ohnehin schon ist, wenn man Vater und Mutter in der Ferne weiß, die sich doch nichts sehnlicher wünschten als den Sohn, die Tochter in der Nähe zu wissen.

Viele von uns kennen dieses Gefühl und werden bei der Lesung eben mit Wehmut an die eigenen Eltern gedacht haben. Und möglicherweise hat es noch das schlechte Gewissen verstärkt, dass mancher dabei hat, wenn er an die Verantwortung denkt, die Kinder Eltern gegenüber haben.

 

Und die andere Situation, die eben beschrieben wurde, findet sich in dem Evangeliumtext. Maria und Josef suchen ihren Sohn und finden ihn im Tempel. Drei Tage war er weg und nun sitzt er da und diskutiert mit den Schriftgelehrten. Seine Mutter reagiert so wie jede Mutter reagiert: Kind, wie konntest du uns das antun?
Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.

Und wie reagiert der Sohn, wie reagiert Jesus? Nun eigentlich wie alle pubertierenden Jugendlichen: Warum habt ihr mich gesucht?
Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?

Verständnis für die Sorgen der Eltern klingt anders. Die Abnabelung beginnt: Für Jesus war das das Bewusstsein dafür, von seinem Vater im Himmel zu erzählen, für ihn zu leben.

 

Und auch hier sind wieder viele von uns in dieser Gemeinde betroffen. Denn die gleiche Generation, die sich um die Eltern und deren Wohlergehen sorgt, muss erfahren, dass ihre Kinder erwachsen werden, eigene Wege gehen. Manchmal auch Wege, die nicht den Vorstellungen der Eltern entsprechen. Am meisten aber schmerzt wohl, dass die Kinder damit deutlich machen, dass sie die Eltern nicht mehr im gleichen Maß benötigen wie das während der Kindheit war. Sie werden selbstständig und deuten an, dass sie eigene Entscheidungen treffen, unabhängig von dem, was die Eltern vorgegeben haben oder was diese für Vorstellungen vom Leben der Tochter oder des Sohnes haben.

 

So unterschiedlich beide Problematiken sind, so haben sie doch eines gemeinsam: Das Loslassen.

Nicht nur die altwerdenden Eltern müssen lernen das eigene Leben loslassen zu können, sondern deren Kinder müssen lernen, die Eltern gehen lassen zu können.

Und genauso müssen Eltern erlernen ihre eigenen Kinder ins Erwachsenwerden loslassen zu können.

Loslassen können ist wohl eine der größten Herausforderungen menschlichen Lebens: wie oft müssen wir von Plänen loslassen, die wir uns für einen bestimmten Lebensabschnitt gemacht haben, ob berufliche oder persönliche. Mal macht der Chef oder der konkurrierende Kollege ein Strich durch die Rechnung, mal eine Krankheit oder eine schlechte Zeugnisnote. Es kommt immer anders als man denkt. Wir müssen offenbar lernen, nicht zu viele Pläne zu machen, auch wenn das einfacher gesagt ist als getan.

Ich finde es herrlich in den Tagen nach Weihnachten den Kalender liegen lassen zu können, weil er erstens nur noch ein paar Seiten hat und zweitens in der Regel nichts Bedeutendes für den Rest des Jahres darin steht.  Ein herrlicher Zustand, der für die meisten von uns nur bis in die ersten Tage des neuen Jahres anhält. Unplanbarkeit üben, frei verfügbar sein, nicht nur für eigene Vorhaben, sondern für das Leben. Kommen lassen, was kommt, annehmen, akzeptieren. Ja sogar Lust verspüren am Unvorhergesehenen.  Das ist die Chance der Tage zwischen den Jahren.

Denn wer das Planen loslassen kann, ist offener für Veränderungen. Wer es schafft sich auf Überraschungen vorzubereiten, der ist auf die Herausforderungen des Lebens weitaus besser eingestellt als derjenige, der meint jetzt schon wissen zu können, dass er z.B. an einem bestimmten Datum im Jahre 2022 dies und das wird tun müssen. Wer weiß das schon. Nur weil es im Kalender steht, muss es ja nicht eintreffen.

Ich erinnere mich immer gerne an meine Großmutter, die viele in der Zukunft liegende Ereignisse mit einem Satz begleitete: So Gott will.

So Gott will sehen wir uns an Weihnachten wieder. So Gott will werde ich dann zu Besuch kommen. So Gott will werde ich dann das Krankenhaus verlassen haben. Das sind so Sätze von ihr, die ich noch in meinem Kopf habe. So Gott will.

Mancher von Ihnen wird sich an ähnliches erinnern.

Aus diesem „So Gott will“ meiner Oma sprach ein unglaubliches Gottvertrauen. So Gott will wird es geschehen, und wenn es nicht so geschehen wird, dann hat es Gott nicht so gewollt. Und warum hat er das nicht so gewollt? Wie kannst Du das wissen, war die Antwort. Diese Frage macht Dich nur krank. Vertraue Gott, er wird wissen wozu das notwendig ist. Er wird wissen, warum es anders gekommen ist als geplant.

Meine Oma ist auch genauso gestorben wie sie gelebt hat: friedlich, mit einem Lächeln auf dem Gesicht: Wenn Gott es jetzt will, dann ist es gut. Loslassen können, weil sie wusste, dass es nicht verloren ist. Selbst wenn etwas wie ein Verlust aussah, war es dennoch nicht verloren, weil alles von Gott gehalten wurde.

Solche Menschen können auch ihre Liebsten loslassen, die Kinder in das Erwachsenwerden und die eigenen Eltern ins Altwerden und in den Tod.

Wenn die Kirche heute das Fest der Hl. Familie feiert, dann stellt sie damit Maria und Josef in den Fokus der Aufmerksamkeit. Schaut Euch an wie diese gelebt haben: Maria hatte sicher etwas anderes geplant als –durch einen Engel angekündigt- Mutter eines göttlichen Kindes zu werden. Hat sie sich verweigert? Nein.

Josef hatte sicher etwas anderes geplant als ein Kind großzuziehen, von dem gesagt wurde, dass es nicht sein eigenes sei. Hat er sich verweigert? Nein.

Den Eltern wurde gesagt, nach Ägypten zu fliehen, weil ihr Kind in Gefahr sei. Sie wären sicher lieber wieder zurück ins heimische Nazareth gezogen. Haben sie sich verweigert? Nein.

Diese beiden waren offen für das, was das Leben so brachte: „So Gott will“ haben sie offenbar geglaubt und gelebt.

Nun, das ist kein Satz, der uns von der Pflicht den alternden Eltern gegenüber befreit, es ist kein Satz, der die Auseinandersetzung mit manchen Plänen der eigenen Kinder erspart, die nicht den Vorstellungen der Eltern entsprechen. Es ist aber ein Satz, der etwas ausdrückt, was das Leben – und damit auch das Zusammenleben-  erleichtert: Es ist das Vertrauen, das alles, was geschieht zwar nicht immer erklärbar ist, aber hoffentlich einen Sinn ergibt. Einen Sinn, der nicht immer sofort auf der Hand liegt, einen Sinn, der sich oft erst nach Jahren ergibt.

Diese Haltung des Vertrauens vermindert die Abhängigkeit von eigenen Plänen, sie macht mich offener für die Überraschungen des Lebens, und zwar nicht nur für die schlechten, sondern  auch für die guten. So Gott will.