2. Sonntag nach Weihnachten, 02.01.22

 

Was war am Anfang der Welt?

Das ist eine Frage, die nicht nur Kinder den Eltern stellen, sondern sicher auch eine, die einem in stillen Momenten immer wieder selbst hochkommt.

Angenommen Ihr Kind, interessiert an den großen Fragen des Lebens, stellte Ihnen diese Frage, dann bin ich sicher, dass die Antwort in den meisten Fällen so lauten würde: Am Anfang war alles, was es gibt auf einen Punkt zusammengeballt, alle Sterne, alle Planeten, alle Monde, einfach alles, was existiert, sogar die Zeit.  Das ist dann in einem Moment explodiert, im sogenannten Urknall- und seitdem weitet es sich immer mehr aus. Und aus den einzelnen Bruchstücken hat sich nach und nach das ganze Universum gebildet.

So oder ähnlich lautet die vermutlich richtige Antwort, soweit das die Astrophysiker mit den heutigen Methoden nachweisen können.

Eigentlich ist es doch merkwürdig, dass uns meist diese Antwort einfällt, denn sie hat doch einen Schwachpunkt. Sie versucht zwar nach exakten Methoden den Nachweis zu führen, wie und wann alles begonnen hat- und dennoch ergibt sich doch nahezu zwangsläufig eine weitere Frage: Aber was hat den Urknall ausgelöst?

Auch wenn die Zeit ebenfalls zu dem Zeitpunkt begann und entstand, fragen wir trotzdem nach dem „Davor“. Selbst wenn die gesamte Materie unglaublich dicht zusammengepresst war, existierte sie aber doch schon. Und woher kam diese Materie?

Die Frage ist selbstverständlich schon eine sehr alte Frage, der Anfang der Welt ist nur immer weiter nach vorne geschoben. Schon Aristoteles sprach von einem Erstbeweger. ER sah, dass alles in Bewegung war, eine ewige Dynamik. Er nahm zu Beginn der Welt etwas an, das als einziges unbewegt war und alles andere dann in Bewegung gesetzt hat.

Andere machten sich Gedanken darüber, wie aus dem Nichts alles entstehen konnte und verneinte diese Möglichkeit, so dass aus ihrer Sicht schon immer etwas gewesen sein muss.

Auch die Bibel gibt auf diese fundamentale Frage ihre Antworten. Uns allen ist zumindest der Schöpfungsbericht vom Anfang der Bibel bekannt. In 6 Tagen erschuf Gott die Welt und am siebten Tag ruhte er  und sah, dass alles gut war.

Das eben gehörte Evangelium allerdings ist in dieser Hinsicht nicht so bekannt, auch wenn es ebenfalls ein Schöpfungsbericht ist, allerdings weitaus kürzer und abstrakter:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.  Im Anfang war es bei Gott.  Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
In ihm war das Leben.

Das war´s – mehr Informationen über den Anfang der Welt gibt Johannes nicht.

Am Anfang war nur Gott. Und dann war da dieses ominöse Wort. Welches Wort denn? Hallo? Achtung? Liebe? Ich? Gott?

Was Gott am Anfang gesagt? Was war das für ein Wort? Ein Abakadabra, ein Zauberwort, das alles in Bewegung gesetzt hat?

Nein, es geht Johannes nicht um ein bestimmtes Wort, es geht ihm um das Wort an sich, darum, dass Gott gesprochen hat.

Was ist denn das Wort?

Jedes Wort, das gesprochen wird, ist eine Äußerung, es kommt aus jemandem heraus. Ein Wort lässt etwas vom Sprecher erkennen. Wenn Sie jetzt gerade MEINEN Worten lauschen, dann erfahren sie jede Menge über mich, wie ich ticke sozusagen, was ich denke, wie ich den Glauben sehe, die Welt interpretiere.

Wenn Ihre Kinder Ihnen zuhören, dann erfahren sie etwas von Ihnen. Das gleiche Wort aus Ihrem und aus meinem Mund kann sogar eine leichte andere Bedeutung haben, je nach Klang, je nach unserer eigenen Lebensgeschichte.

Das Wort ist immer eine Deutung dessen, der es ausspricht. Das Wort erklärt den Sprecher. Je länger ich jemandem zuhöre, desto besser lerne ich ihn kennen. Das Wort kehrt das Innere nach außen.

 

Noch einmal also: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.  Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben

 

Für Johannes ist die Welt also eine Äußerung Gottes. Alles Geschaffene trägt also seinen Stempel.

Die Welt ist also nichts, was Gott entgegensteht, ihm gegenüber. Die Welt ist der Raum Gottes, von ihm umschlossen, seine Mitteilung sozusagen.

Das kann man natürlich als philosophische Luxusdiskussion abtun, aber für das  Selbstverständnis der Welt, dessen was wir sind und woher wir kommen ist es dennoch wichtig.

Für Johannes ist klar, dass wir Schöpfung dieses Gottes sind. Für ihn kommen wir nicht aus dem Nichts, sondern sind gewollte Welt. Jeder einzelne ist damit gewolltes Leben.

 

Das Ganze widerspricht nicht den Erklärungen der Naturwissenschaftler, weil es auf einer ganz anderen Ebene antwortet. Vermutlich ist die Welt so entstanden wie es dem heutigen Wissensstand entspricht. Aber sie ist nichts neutrales, nichts, was nur den kalten Weltraum widerspiegelt, sondern sie ist nach der Bibel eine Äußerung Gottes. Sie ist damit der Raum in dem dieser Gott sichtbar, erlebbar werden kann, weil es sein Raum ist. Das, was Jesus von diesem Gott erzählt und gelebt hat, ist in dieser Welt gegenwärtig, erfahrbar, entdeckbar.

Diese Welt ist Gottes Welt, auch wenn sie an vielen Stellen nicht so wirkt. Gottes Welt ist an vielen Stellen deformiert. Aus dem Ideal wurde durch die tägliche Praxis eine Welt mit vielen Dellen und Rissen.

Auch hier hilft noch einmal das Bild vom „Wort“.

Wir müssen es selbst oft genug schmerzlich erleben. Ein einmal gesagtes Wort kann nicht zurückgenommen werden. Es ist in der Welt, unauslöschlich. Ich kann mich für etwas entschuldigen, ich kann ein anderes Wort an seine Stelle setzen- und dennoch: es ist einmal ausgesprochen.

Die Welt ist sozusagen einmal ausgesprochen. Gott hat das Wort gesagt und die Welt war da. Sie kann nicht zurückgenommen werden, sie existiert, unauslöschlich.

Jedes ausgesprochene Wort ist verletzlich. Sie können mir meine Wörter im Mund rumdrehen. Sie können mir schlechte Absichten unterstellen, mein Wort umdeuten. Viele gemobbte Leute müssen diese Erfahrung in sozialen Netzwerken machen. Manchmal kann man sich nicht mehr wehren. Das Wort ist in der Welt und andere machen damit was sie wollen.

Gottes Wort- die Welt- ist existent, von ihm ausgesprochen. Und damit uns ausgeliefert. Wir sind durch sein Wort ebenfalls Teil dieser Welt, aber offenbar so gedacht und geschaffen, dass wir diese Welt formen können, Gottes Wort auch deformieren, verunstalten können. Viele Dellen und  Schrammen gehen auf unser Konto.

 

Johannes nun sagt, dass Gott das Wort noch einmal ausgesprochen hat.

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt,
und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

Johannes stellt Jesus als dieses Wort dar. In Jesus spricht Gott noch einmal. In ihm äußert er noch einmal wie er sich den Menschen vorstellt. Er spricht ein weiteres Wort und gab es den Menschen in die Hände. Wir wissen alle wie das nach 33 Jahren ausgegangen ist. Doch auch dieses Wort Gottes ist einmal in der Welt, auferstanden, unwiderruflich und seine Botschaft wirkt bis heute.

 

Was war also am Anfang der Welt? Ein Urknall? Ja, sehr wahrscheinlich. Es war aber auch der Entschluss Gottes, sich zu äußern, sein Inneres nach außen zu kehren. Im Anfang war das Wort- und es war bei Gott. Gottes Wort war der Anfang.