Pfingsten

Können sie sich erinnern, wie es zu Beginn der Pandemie hieß, dass danach alles anders sein wird? Dass die Welt danach eine andere sein wird?

 

Nun, so richtig zu Ende ist sie ja noch nicht, aber eine erste Einschätzung lässt sich vielleicht doch abgeben. Und da kann man nur mit ja und nein antworten.

Ja, die Welt ist eine andere als 2019- ganz sicher. Aber ob durch die Pandemie? Doch wohl eher durch den Krieg. Wäre die Ukraine nicht von Russland überfallen worden, sprächen alle Wirtschaftsdaten dafür, dass wir flott wieder in unserem alten Leben von davor zurückgewesen wären. Wachstum war vorausgesagt, Familienfeste werden wieder gefeiert und Urlaube nachgeholt. Die Luftfahrtindustrie stellt erstaunt fest, dass die Buchungszahlen noch höher sind als erhofft. Na denn…

 

Es sieht also nicht danach aus als wäre alles anders. Wir sehen uns eben nach dem Normalen, danach, dass alles wieder so wird wie früher.

Umwelt? Ach je!

Anderes Wirtschaften? Na ja!

Bessere Bezahlung für Pflegekräfte? Schaun wir mal!

 

Uns fällt es schwer, unsere Welt zu verändern, die persönliche und erst recht die gesamte. Wenn uns nicht eine Katastrophe dazu zwingt, machen wir weiter wie bisher. Das scheint mir die Lehre zu sein, die wir aus der letzten Zeit ziehen können, die auch durch den Krieg bestätigt wird. Erst der Krieg ließ das Wort von der Zeitenwende aufkommen und zwingt uns, Dinge anders anzugehen als  zuvor. Die Pandemie eher nicht.

 

Umso erstaunlicher ist das, woran wir uns heute erinnern: Pfingsten, genauer, das Kommen des Heiligen Geistes-

und dabei vor allem eines: Danach war alles anders.

 

Für mich ist es bis heute ein Wunder, dass die Kirche, die Gemeinschaft der Christen überhaupt entstehen konnte.

Bedenken Sie das mal auf dem Hintergrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre: Da geht ein Virus um die Welt, es gibt keinen Ort, so gut wie kein Land, in das man hätte fliehen können, um ihm zu entweichen und dennoch verändern wir am Ende nur das, was unausweichlich ist. Mehr aller Voraussicht nicht.

 

Aber nach Pfingsten war alles anders. Und das, obwohl vorher keine Naturkatastrophe, kein gewaltiger Krieg, kein Virus über die Menschen gekommen war, sondern nur jemand am Kreuz gestorben war, was in damaligen Zeiten nicht so ungewöhnlich war.

Und die, die ihn kannten, waren enttäuscht, traurig und verängstigt, saßen in ihren Kammern und Häusern und wussten nicht, was sie tun sollten.

Und dann kam Pfingsten.

Es ist gar nicht so wichtig, WIE das geschah, ob mit Feuerzungen oder ob alle nun wirklich einander in ihren Sprachen reden hörten. Entscheidend ist die Veränderung, die sich bemerkbar machte.

Aus den verängstigten Freunden Jesu werden mutiger Verkünder. Ob Männer oder Frauen, sie erzählten ohne Furcht von diesem Jesus, begeisterten andere, machten Gemeinden auf und verbreiteten den Glauben innerhalb von Jahren im gesamten Mittelmeerraum.

Was ein weltweiter Virus mit einem Lockdown der ganzen Welt nicht zustande brachte, das schaffte der, den wir den Hl. Geist nennen: Menschen so zu verändern, dass sie daran gingen die Welt zu verändern.

Es bleibt für mich DER Beweis dafür, dass am Glauben an Jesus   Christus etwas dran sein muss. Wie wäre das sonst zu erklären? Es wäre vollkommen normal und menschlich gewesen, wenn die Anhänger Jesu sich in alle Welt verstreut hätten, zurück in ihr normales Leben gegangen wären, möglichst alle Spuren ihrer Zeit mit Jesus gelöscht hätten, damit sie nicht abgelehnt, verfemt oder gar in Lebensgefahr geraten wären. Menschlich vollkommen verständlich.

Aber das passierte nicht.

 

Wir stehen heute nach zwei Jahrtausenden hier, sind Teil einer weltweiten Gemeinschaft, die sich auf jemanden beruft, der als Verbrecher hingerichtet wurde.

Darauf muss man erst einmal kommen.

 

Wenn wir mal alle Glaubensschichten, die sich im Laufe der Zeit um Jesus gebildet haben, abschälen, nur auf das eigentliche Geschehen gucken, ist es doch mehr wie unwahrscheinlich, dass das geschehen konnte.

Menschen verändern sich-und-ihre-Welt noch nicht einmal, wenn sie vom Klimawandel, von einem Virus und von einer falschen Wirtschaftsweise in ihrer Existenz bedroht sind, aber wenn in einem abgelegenen Winkel des damaligen Weltreiches Rom eine Art kleiner Sturm aufkommt und die Leute sich überraschenderweise verstehen können, obwohl sie aus aller Herren Länder zusammengekommen waren, dann verändern sie sich.

Ich kann vor Staunen bis heute nur den Kopf schütteln. Heiliger Geist.

 

Damit ist für mich aber auch klar, dass wir nicht über klassische Einsicht, nicht über Betroffenheit über die Zustände in der Welt zu einer Veränderung kommen werden, sondern, auch wenn das ganz fromm klingt, über den Heiligen Geist.

Wir Christen können diskutieren, uns politisch und gesellschaftlich engagieren, uns an Klimademos beteiligen und uns bemühen zum Umdenken beizutragen. Alles vollkommen richtig und unverzichtbar. Aber es kommt als erstes und vor allem darauf an, sich diesem Jesus und seinem Geist zu öffnen. Ich weiß nie, wie ich das genau beschreiben soll. Ich kann nicht genau sagen, wie das im Detail geht. Ich kann es aber fühlen:

Der Weg hin zur Veränderung der Welt führt zunächst von ihr weg. Im Abstand von der Welt- der vor allem eine Unabhängigkeit von der Welt bedeutet- kann ich diese besser betrachten.

Wenn ich nicht davon abhängig bin, was mir die Moden und Zeitgeister, die Ideologien und gesellschaftlichen Muster vorzuschreiben scheinen, sondern alles durch die Brille Jesu anschaue, dann ergibt sich eine Unabhängigkeit, die zur Veränderung führen kann.

Eines hat der Lockdown für mich gebracht: Nicht alles so ernst zu nehmen, was uns so vermeintlich wichtig erschien. So vieles, was ich vorher so gemacht habe, erschien als Popanz, als nicht wirklich entscheidend, als gesellschaftliches Spiel. Anderes wurde wichtig, menschliche Nähe, ein gutes Wort, ein Telefonat, ein Zeichen der Zuneigung.

Wenn ich mir eines geschworen habe, dann die Erinnerung daran. Denn sie könnte ein Ausgangspunkt für den unabhängigeren Blick auf die Welt sein- und damit Platz machen, für das, was die ersten Christen Heiligen Geist nannten, der am Ende nur eines ist: Der Geist Jesu, seine Haltung zur Welt und sein heilender Umgang mit den Menschen. Ein Geist, der schaffte, was Weltkriege, ein Virus und die drohende Klimakatastrophe nicht schafften: Den Menschen im Kern zu verändern.

Komm, Heiliger Geist, schaffe uns neu.