Aschermittwoch

Vermutlich werden Sie sich kaum noch an die erste Lesung erinnern, die wir eben gehört haben. Das hat mehrere Gründe: zum einen sicherlich deswegen, weil noch eine weitere folgte und dann auch noch das Evangelium, zum anderen aber auch, weil der Inhalt etwas tief uns Angelegtes berührt, dieses bestätigt und deswegen keine Herausforderung bedeutet, die uns dann länger in Erinnerung bleibt.

Dabei geht es mir seit kurzem umgekehrt. Ich empfinde das als Herausforderung, was dort steht, auch und vor allem für mein Gottesbild.

Aber Schritt für Schritt.

 

Kürzlich habe ich den zukünftig neuen Messdienern in einer ihrer Schnupperstunden die Kirche ein wenig detaillierter erklärt.

Dabei ging es auch um den Altar und was da geschieht. Dabei kamen wir auch darauf, was der Altar in vielen Kulturen und auch im AT war: ein Ort, an dem für die Gottheit ein Opfer dargebracht wurde. Oft nach Katastrophen wie Erdbeben oder Fluten oder nach Epidemien kamen die Menschen zu der Auffassung, dass ihr Gott böse auf sie sein musste, warum sollte er sonst so Schlimmes geschickt haben. Tektonische Plattenverschiebung, Viren oder seltene Wettereignisse kamen als Erklärung nicht in Frage, weil man davon noch nichts wusste. Und alles, was man sich nicht erklären kann, erklärt man sich gerne übernatürlich, oft eben mit einem zürnenden Gott.
Und wenn dieser sauer ist, versucht man ihn zu besänftigen. Womit? Mit möglichst teurem, mit etwas, was einem wichtig war. Man brachte also ein Opfer dar: Je wertvoller, desto besser- was ja auch der Hintergrund dafür ist, dass in manchen Kulten sogar Menschen geopfert wurden und sich das bekanntlich sogar in der Geschichte Abrahams widerspiegelt, der beinahe seinen Sohn Isaak geopfert hätte.

So haben wir also bis heute in unseren Kultstätten Altäre stehen und auch das Opfer ist noch nicht verschwunden- allerdings sprechen wir nur noch vom Opfer Jesu, sein Kreuzestod war sein Opfer stellvertretend für uns alle. Und damit war Gott mit uns Menschen wieder versöhnt. Wenn man darüber nachdenkt, ist es schon ein wenig krude. Gott braucht ein Opfer und weil ihm offenbar die Opfer der Menschen nicht mehr ausreichten, musste es gleich der eigene Sohn sein. Damit war er zufrieden und ab da benötigte man im Christentum keine Opfer mehr.

Hat das zu Frieden zwischen Menschen und Gott geführt? Wenn man zum Maßstab nimmt, dass es seitdem keine Katastrophen mehr gibt, muss man wohl bitter feststellen, ob nun in der Türkei oder anderswo, dass das offenbar nicht der Fall ist. Gott mag versöhnt sein, aber die alten Schrecken bestehen nach wie vor.

Irgendwas stimmt da also nicht.

Und dennoch regt sich wenig Widerstand gegen diese Überzeugungen, weil sie so sehr unseren grundsätzlichen, menschlichen Überzeugungen entsprechen. Es ist für uns tägliche Erfahrung, dass wir oft genug Gutes mit Gutem vergelten und Böses mit Bösem. Zahn um Zahn, Auge um Auge ist tief menschlich. Wie Du mir, so ich Dir.

Und dann fällt uns nicht auf, dass wir das auch auf das Verhältnis Gott/Mensch übertragen und überhören es, wenn es in einer biblischen Lesung vorkommt- so wie heute eben aus dem Buch Joel.

Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen!

Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum HERRN, eurem Gott!

Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld und es reut ihn das Unheil.

Wer weiß, vielleicht kehrt er um und es reut ihn und er lässt Segen zurück, sodass ihr Speise- und Trankopfer darbringen könnt für den HERRN, euren Gott.

So wurde es uns eben vorgelesen.

Kehrt um- ja dann reut ihn das Unheil. Und wer weiß, vielleicht lässt er dann Segen zurück- vielleicht, man weiß es ja nie so genau. Es bleibt also schon noch eine Interpretierungslücke auf, wenn es doch wieder zu Katastrophen kommen sollte. Vielleicht reut es ihn ja, aber vielleicht auch nicht -und alles geht weiter wie zuvor.

Der Aufruf Joels geht dahin, es dennoch zu versuchen: Denn wer weiß, vielleicht reut es ihn. Oder wie wir sagen würden. Wer weiß, Schaden kann es ja nicht und wer weiß wofür es gut ist. Schad ja nix- hätte meine Mutter gesagt.

Lieber ein Opfer mehr als eines zu wenig.

So kalkulieren wir. Und machen wir uns nicht darüber lustig. Jeder kennt diese Deals von sich selbst. Lieber Gott, wenn Du dies oder das in Ordnung bringst, ja dann werde ich….so lautet der oft verzweifelte Versuch, eine Lösung für ein schwieriges Problem  zu finden. Und wer weiß, vielleicht hilft es ja wirklich- denn das Gegenteil kann einem ja auch niemand beweisen, dass es eben nicht hilft. Die Wahrscheinlichkeit ist 50 zu 50. Warum also nicht versuchen.

 

Dass ein solcher Text zum Eingang der Fastenzeit gelesen wird, setzt allerdings einen wie ich finde fragwürdigen Akzent, zumal am Ende der Lesung noch vom Erfolg des ganzen verordneten Fastens berichtet wird: Da erwachte im HERRN die Leidenschaft für sein Land und er hatte Erbarmen mit seinem Volk. Es hatte also etwas genutzt.

Würden wir das Ernst nehmen, dann wäre es nahezu moralische Pflicht, in den nächsten 40 Tagen alle möglichen Fastenopfer zu bringen, ob nun Alkohol- und Süßigkeitenverzicht, ob mehr Gebet und Aufmerksamkeit für andere oder „40 Tage ohne“- wenn Gott dann Erbarmen mit seinem Volk hat, dann ist es das wert. Wenn dann die Erde in der Türkei zur Ruhe kommt, Putin und seine Soldateska die Ukraine verlässt und wir uns endlich keine Sorge mehr um den Klimawandel machen müssen, dann schaffe ich sogar 40 Tage nur mit Brot und Wasser- und sonst nichts.

Ich karikiere, natürlich. Aber es soll deutlich machen, dass zum einen keinen Sinn ergibt, nicht wirklich der Botschaft Jesu entspricht und es vor allem nicht das bewirkt, was wir uns erhoffen. Und wenn die ganze Welt 40 Tage lang nur von Wasser und Brot lebte, kämen die tektonischen Platten dennoch nicht zur Ruhe und auch die Viren wären wenig beeindruckt und würden weiterhin auf der Suche nach dem nächsten Wirt sein.

Nein, liebe Gemeinde, die Welt ist mit ihren innerweltlichen Gesetzmäßigkeiten wie sie ist- daran wird kein Fastenopfer etwas ändern.

 

Was soll es dann aber?

Nun, auch die NTlichen Texte des heutigen Tages geben nur versteckt Hinweise. Auch da geht es um Versöhnung mit Gott, um einen Handel mit ihm.

Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist;

und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

Die Welt spielt hier keine Rolle mehr. Es geht nicht darum, dass die Assyrer in Schach gehalten werden sollen wie das bei Joel der Hintergrund war, sondern es geht einzig und allein um das individuelle Verhältnis Mensch/Gott. Es geht um die Gottesbeziehung des Einzelnen. Das Fasten ist keine Show, die andere beeindrucken soll, es ist kein Heilmittel um die Welt zu verbessern, sondern einzig und allein dafür gut, das Verhältnis des Gläubigen zu Gott zu intensivieren.

Dieses Kapitel 6 bei Matthäus kommt unmittelbar nach der Bergpredigt und enthält viele Aspekte der Frömmigkeit und endet mit der wunderbaren Erzählung, in der Jesus bei den Jüngern um Vertrauen zu Gott wirbt und dabei auf die Lilien auf dem Felde und die Vögel in den Bäumen verweist, die sich um nichts sorgen und dennoch alles haben, was sie benötigen.

Das ist der Kern der Frömmigkeit Jesu: seine Beziehung zu seinem Vater. Das grenzenlose Vertrauen, das er in ihn hat. Er weiß sich völlig in dessen Hand, kennt keine Zweifel, dass das irgendwie anders sein könnte und verweist seine Jünger eben auf die sie umgebende Natur als Hinweis darauf, dass alles seinen guten Platz hat, dadurch, dass es von Gott kommt und  wieder zu ihm geht.

Das Fasten erinnert uns daran, dass wir eben das Materielle zwar nutzen sollen, weil es uns nährt, aber nicht so benutzen sollen, dass wir von allem abhängig werden, nichts über das Notwendige hinaus, das ist seine Mahnung. Ihr bleibt nicht ewig in dieser Welt, Ihr könnt nichts mit hinübernehmen und das wahre Leben besteht darin, sich mit Gott in Verbindung zu wissen. DAS ist es, was Ihr pflegen müsst, dafür ist es sinnvoll, immer wieder zu überprüfen, wovon man sich abhängig gemacht hat. Führt es mich zu Gott oder verhindert es den Weg zu ihm? Das ist die grundsätzliche Frage, die sich Menschen stellen sollten, die in der Nachfolge Jesu stehen.

 

Gott braucht nicht unser Opfer, wir brauchen es. Denn jedes Haften am Materiellen führt uns weg vom Immateriellen. Und das Immaterielle ist unsere eigentliche Heimat. Wir haben die Wahl- machen wir etwas daraus. Das ist die Mahnung der Fastenzeit.