6. So. im Jahreskreis 14.2.2021

Wussten Sie schon, dass es einen Heiligen gibt, den Sie anrufen können, wenn es Schwierigkeiten mit der Post gibt? Nein, dann versuchen Sie es mal mit dem Hl. Erzengel Gabriel.  Außerdem ist er für Müllmänner, Diplomaten, Radiosprecher und die Fernmeldetruppe des deutschen Heeres zuständig.

 

Oder wussten Sie schon, dass der Heilige Antonius nicht nur dann angerufen werden kann, wenn man etwas verloren hat, sondern auch dann, wenn man einen Freund haben möchte, Hunger hat oder schwanger ist?

 

Oder sollten Sie zu lange im Homeoffice am  Computer gesessen haben, könnten Sie die Heilige Clara anrufen, denn sie ist für alle Augenkrankheiten und –probleme zuständig, dazu noch Schutzpatronin des Fernsehens.

 

Corona ist ja nicht nur eine Krankheit, die uns seit längerem beschäftigt, sondern auch der Name einer Heiligen aus dem 2. Jahrhundert. Sie ist  Patronin des Geldes, der Metzger und der Schatzgräber. Nur, damit Sie das schon einmal gehört haben.

 

Und selbstverständlich wissen Sie, dass der Heilige Valentin, dessen Gedenktag wir heute feiern, die richtige Adresse für die Liebe ist- dafür sorgt schon seit Jahren ihr freundlicher Blumenhändler um die Ecke. Sollten wir in Zukunft wieder mehr unterwegs sein können, ist er auch dafür als Patron aller Reisenden zuständig.

 

Man könnte alle möglichen Bedürfnisse durchgehen und fände für die allermeisten einen Ansprechpartner im Himmel.

 

Der Hl. Valentin aber soll mir heute Gelegenheit geben, einmal über die Heiligen und die Heiligenverehrung nachzudenken.

Denn, was ich mit ein wenig Süffisanz zu Beginn vorgetragen habe, trägt doch einige bedenkenswerte Aspekte in sich.

 

Was uns heute abstrus und skurril erscheint war im Mittelalter wichtiger Bestandteil christlicher Frömmigkeit. Gott und Jesus Christus erschienen den Menschen als viel zu weit weg, die Heiligen als Menschen, die schon bei Gott waren, lagen da viel näher.

Heilige waren in ihrem Leben Menschen aus Fleisch und Blut gewesen, sie hatten bestimmte  Dinge erlebt, an die man anknüpfen konnte.

Als z.B. die Hl. Clara so krank war, dass sie Weihnachten nicht mit ihren Mitschwestern feiern konnte, war sie zunächst einsam und traurig an ihr Bett gefesselt. Doch in einer Art Vision nahm sie am feierlichen Gebet der Ordensbrüder der Franziskaner teil, die am anderen Ende der Stadt Assisi gerade in der neu erbauten Basilika die  Weihnachtsmesse feierten. Diese innere Vision, diese Übertragung in Gedanken machte sie zur angemessenen Patronin der Television. Auch das lässt uns wieder schmunzeln, zeigt aber wie die Zuständigkeiten oder kirchlich gesprochen die Patronate der einzelnen Heiligen zustande kamen. Man suchte Anknüpfungspunkte in deren Leben und sah darin einen Hinweis Gottes, diesen Heiligen in diesem Anliegen anzurufen.

So wurde der Himmel zu einem bunten Ort, in dem sich die Sorgen und Nöte der Menschen widerfanden und spiegelten. Gott bekam dadurch viele Gesichter der Hilfe und des Zuspruchs.

In einer Zeit, in der die Medizin unterentwickelt war, die Nöte aber groß, waren die Heiligen Tröster und Zufluchtsort.

 

Zudem waren sie leuchtende Vorbilder und Mutmacher- allein durch ihre Existenz. Stellte man sie sich vor seinem inneren Auge vor entstand eine lange Reihe von Menschen, die sich durch die Jahrhunderte hindurch auf den Weg gemacht hatten, um diesen Gott zu suchen und ihn fanden. So unterschiedlich die Lebens- und Glaubenswege der einzelnen Heiligen waren, so ähnlich aber waren sie sich in einem: Sie wollten Gott finden.

So konnte man sich in ihnen widerfinden. Man war nicht allein in seiner Gottsuche, sondern wusste sich eingebunden in die große Gemeinschaft der Christen, ob sie nun gerade lebten oder nun als Heilige schon bei Gott waren.

Rein menschlich gesehen war die Heiligenverehrung also durchaus nachvollziehbar, weil Heilige eben Menschen waren, die wie jeder andere Mensch gelebt hatten, anfassbar waren und man sich so mit ihnen identifizieren konnte. Ganz anders als Gott, von dem man nicht im gleichen Sinne wissen konnte, sondern an den man nur glauben konnte.  Die Heiligen gaben Gott ein Gesicht.

 

Und da begannen auch gleich die Schwierigkeiten.

 

Viel zu oft wurden die Heiligen in den Mittelpunkt gestellt. Sie wurden eher angebetet als verehrt. Ihre Verehrung konnte zum Popanz werden, ihre Schreine zum goldenen Kalb, das man verehrte und damit den, dem ausschließlich die Anbetung galt, nämlich Gott in den Hintergrund rückte.

 

Noch heute kann man z.B. im Kölner Dom ein wenig davon spüren, wenn man am vergoldeten Meisterwerk der Heiligenverehrung, dem Schrein der Heiligen Drei Könige entlanggeht.

Wenn man dann noch weiß, dass die Gebeine der vermeintlichen Hl. Drei durch einen Raubzug Kaiser Friedrich  Barbarossas von Mailand nach Köln gebracht wurden, diese als erste christliche Könige größte Verehrung genossen und damit jedem König des christlichen Abendlandes als Vorbild dienten und somit wiederum der Besitz ihrer Gebeine auch einen Machtanspruch bewies, dann ahnt man, dass die Heiligenverehrung nicht ganz koscher war. Ihre dunklen Seiten wurden dann spätestens mit der Reformation auch deutlich und klar angeprangert.

 

Und dennoch gibt es sie noch heute. Darin ist die katholische Kirche im Übrigen nicht alleine. Auch Islam, Buddhismus und Hinduismus kennen Heilige in diesem Sinne.

Für die katholische Theologie ist und bleibt aber wichtig, dass die Heiligen verehrt und nicht angebetet werden. Sie werden verehrt, weil sie den Lebenden zum Vorbild wurden. Ihr Tun, ihr Handeln, ihr Predigen oder ihre Frömmigkeit wurden und werden als Beispiele aufgezeigt. Menschen, an die man sich ausrichten kann.

Und Menschen, an die man sich wenden kann.

Und da wird es für manche Zeitgenossen schon wieder schwieriger. Warum soll ich mich an einen Toten wenden, wenn ich mich an den lebendigen Gott wenden kann? Eine berechtigte Frage. Aber das eine muss ja das andere nicht ausschließen; oder noch klarer: Das eine darf das andere nicht ausschließen.

 

Lassen Sie es mich an einem Beispiel klarer machen: Wenn ich einen von Ihnen bitten würde, mich in meinem Gebet in einem bestimmten Anliegen zu unterstützen, würden Sie das doch sicher nicht ablehnen. Klar, würden Sie sagen, ich stelle für Dich eine Kerze auf oder denke im Gebet an  Dich.

Das tut uns gut, gerade in Situationen, in denen es einem schlecht geht, in  Situationen, in denen man Schweres zu verarbeiten hat.

 

Und so wie ich zu Ihnen kommen kann, tun wir es auch oft gemeinsam. Jede Fürbitte ist so ein Gebet. Wir beten und bitten füreinander.

 

Nun, noch eine Frage: Warum soll ich Sie um ein fürbittendes Gebet bitten dürfen, aber jemanden, der vor mir gelebt hat nicht? Soll ich Frau Schmitz und Herrn Müller bitten dürfen, die Hl. Klara und den Hl. Antonius aber nicht?

Nun könnten Sie antworten, ja, die leben aber nicht mehr.

Wirklich? Dann würde ich rückfragen, ob Sie an die Auferstehung glauben oder nicht.

 

Als Christen sollte es für uns doch kein Problem sein zu glauben, dass wir alle, ob jetzt lebend oder vor Jahren oder Jahrhunderten, EINE Gemeinschaft der Kirche sind, im Glauben an den EINEN Gott miteinander vereint, heilige Communio, sind. Und in dieser heiligen Communio, in dieser Gemeinschaft der Heiligen sind wir doch füreinander da, stehen füreinander ein, unterstützen uns in unseren Anliegen, Sorgen und Nöten.

Und so wie  Sie vielleicht gerne jemanden um das Gebet für Sie bitten, von dem Sie wissen, dass er oder sie ein frommer, gottesfürchtiger Mensch ist, dann ist es doch nur nachvollziehbar darum auch jemanden bitten zu können, von dem wir wissen, dass diese Person diesem Gott nahe war, ob sie nun Elisabeth von Thüringen, Martin von Tours oder Klara von Assisi hieß.

 

Das ist sicher nicht notwendig, weil ich mich in meinem Anliegen direkt an Gott wenden kann, aber ich kann andere Menschen, ob Heilige oder heute Lebenden damit einbeziehen.  Gemeinschaft gibt Stärke und macht Mut.

 

Sollte sich also heute jemand an den Hl. Valentin wenden wollen, weil er z.B. ein Problem in seiner Partnerschaft oder  Ehe hat, kann er das doch tun. Nötig ist es nicht, mein Anliegen- wie gesagt- kann ich auch gleich vor  Gott tragen, aber menschlich nachvollziehbar wäre es, weil ich eben jeden, der an Gott glaubt bitten kann, für mich bei Gott zu beten.

 

Damit wird der Heiligenverehrung sicherlich keine neue Hochkultur verschafft, weil sie eben nicht notwendig ist und viel zu viele skurrile Blüten getrieben hat; wenn sie aber dazu führt, dass Menschen sich dadurch leichter an Gott wenden können, wenn Menschen sich bei ihrer Gottsuche nicht so einsam fühlen, sondern sich über die Heiligen mit Gott und anderen Gläubigen verbunden fühlen, dann spricht doch sicher auch nichts dagegen.

 

In diesem Sinne möchte ich jetzt auch die Allerheiligenlitanei beten. Legen wir unsere Anliegen dort hinein und tragen es in der großen Gemeinschaft deren, die an Gott glauben und an Gott geglaubt haben, hin vor IHN.