4. Sonntag d. Osterzeit 21. April

Es gibt Stellen, die sprechen einfach für sich. Stellen, die in uns etwas auslösen ohne dass man sie weiter erläutern muss. Die vom guten Hirten gehört sicher dazu. Verbunden mit Psalm 23, in dem es heißt „Dein Stock und Dein Stab leiten mich“ –und die damit ebenfalls das Bild des Hirten ansprechen, wird hier Geborgenheit, Zuversicht und Vertrauen signalisiert.

Dem, der es glauben kann, vermittelt sich ein Gefühl des „Sich-fallen-lassen-Könnens“, so wie es Kinder mit den Eltern tun können: verlässlich, immer da, immer nah- um einen Spruch aus der Werbung zurückzuholen an den Ort, an den er passender ist.

Vielleicht ist es das, was uns über alle Epochen und Unterschiede in den kulturellen Traditionen an diesem Bild fasziniert:  die Sorglosigkeit der Kindheit, die Sicherheit durch eine verlässliche Führung, das Aufgehoben sein in der Herde.

Ein Gott, der schützt vor den Widrigkeiten des Lebens.

Ein Gott, der schützt vor den Widrigkeiten des Lebens? Tut er das? Das ist die große Frage, die alle Gläubigen sich immer wieder stellen- schützt Gott? Ist er wirklich der gute Hirte?

Mancher wird die Frage mit nein beantworten:

Nein, vor dem Unfall hat er mich nicht beschützt, vor der Krankheit nicht bewahrt, vor der falschen Lebensentscheidung nicht gewarnt.

Offenbar gibt es DIESEN Gott nicht. Es gibt KEIN Leben ohne Krankheit, keines ohne Verluste, keines ohne falsche Entscheidung- alles andere ist nicht menschliches Leben. Und wer erwartet, dass der Gute Hirt mich davor bewahrt wird enttäuscht.

Und für wen Gott nur existiert, wenn er Menschen vor eben diesen Dingen bewahrt, für den wird Gott nicht existieren.

Was sollen dann die ganzen Texte von Vertrauen auf Gottes Führung, von Schutz unter seinen Flügeln? Was soll ein Text wie aus den Psalmen, wo es heißt: Fallen auch tausend zu meiner Rechten und abertausende zu meiner Linken, so wird es doch mich nicht treffen….alles hohl, alles Illusion, Beruhigungspille um nicht an der Leere und Sinnlosigkeit des Lebens zu verzweifeln?

So ist es vielleicht für den ein oder anderen, aber gemeint sind die Texte so nicht. Als sie entstanden haben die Menschen selbstverständlich die gleichen Erfahrungen gemacht. Auch sie wurden krank, obwohl sie an Jahwe glaubten, ihre Soldaten fielen in Schlachten, obwohl sie am Morgen den Psalm 91 gebetet hatten.

Vielleicht hilft ein Wort aus dem 1. Thess. weiter: Er ist für uns gestorben- damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder schlafen.

Hier liegt ein möglicher Schlüssel zum eigentlichen Verständnis. Es geht um das Vereint- mit-ihm-leben. Es geht um die Gemeinschaft mit diesem Gott, es geht um ein bewusstes Leben in der Gegenwart dieses Gottes.

Und auch Ps. 23 gibt ein paar Hinweise. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil.

Das  Wandern-in-finsterer- Schlucht ist also auch  nicht ausgeschlossen für den, der an diesen Gott glaubt. Auch für den Glaubenden existieren die finsteren Schluchten, die Schattenseiten des Lebens, die Unbekannten, die Angst-machenden Seiten.

Ich fürchte kein Unglück. So sagt der Betende. Ja, das ist wunderbar, aber er schließt das Unglück nicht aus. Auch für den, der das Unglück nicht fürchtet, ist es doch präsent.

Offenbar geht es bei all diesen Stellen um den Umgang mit dem Unerwarteten, es geht darum, wie ich mich bei Schicksalsschlägen verhalte, darum wie ich sie bewerte.

Ich glaube, dass die Bibel uns auffordert, das Leben vom Ende, oder besser vom Ziel her zu sehen: Und deswegen passt dieses Evangelium vom Guten Hirten auch so gut in die Osterzeit: Von Ostern, von der Auferstehung her gesehen, gehört unser Leben angeschaut.

Wenn Ostern bedeutet, dass Jesus auferstand, wenn das wiederum bedeutet, dass die Auferstehung ein Versprechen Gottes an uns alle ist, dann verbindet sich doch damit der Trost, dass mein Leben unverletzlich ist, unzerstörbar. Sicher, die äußere Gestalt verändert sich, das tut sie Tag für Tag durch biologische Prozesse und durch andere, manchmal auch gewaltsame äußere Einwirkungen. Aber, das was ich im Kern bin, meine Seele, mein Leben mit Gott ist unzerstörbar. Das wiederum heißt, dass alle Vorkommnisse im Leben uns im Kern nicht treffen können, denn noch einmal: dieser Kern ist göttlich, ist Seele, ist Leben mit Gott.

Das ist das, was dieser Jesus ständig gesagt und vor allem gelebt hat. Sein in unseren Augen risikoreiches Leben auf der Straße, immer in Abhängigkeit von dem, was ihm täglich begegnete, sein Stehen zu seiner Überzeugung und seine Einwilligung in den gewaltsamen Tod sind doch Zeugnis für die Überzeugung, dass er im Kern unzerstörbar war. Sein Leben konnte nicht ausgelöscht werden, weil es ein Leben mit Gott, mit dem Ewigen war. Angebunden an das Ewige kann das Leben nur ebenfalls ewig, auflösbar sein.

Das ist die Grundaussage all dieser Texte: Es mag noch so furchtbar zugehen in der Welt oder auch manchmal in Eurem persönlichen Leben: das eigentliche, das, was Euch zu der Person macht, die ihr seid, ist unzerstörbar, wird auferweckt, wird leben.

Das Gleichnis vom guten Hirten trifft dann noch eine Aussage, die davon spricht, dass seine Schafe seine Stimme hören.

Wenn Du sie nicht hörst, heißt das dann im Umkehrschluss,  bleibt dir diese wunderbare Zusage verwehrt. Nicht, weil das von Gott aus so wäre, weil er die einen in die Verdammnis, die anderen in den Himmel hebt. Ich überhöre einfach diese Stimme, weil ich zu beschäftigt bin, mir den Zugang verbaue etc.  und überhöre dabei diese wunderbare Zusage, keine Angst haben  zu müssen.

Der Himmel gilt für uns alle, die vor dem Tod davon schon gehört haben- die Schafe also, die seine Stimme hören, die sind getröstet, sie wissen um ihre Zukunft. Die anderen, die es nicht hören, stehen unter der Gefahr, alles von diesem Leben zu erwarten, weil es kein Danach gibt, stehen in der Gefahr bei Krankheit, Gebrechen o.ä. zu befürchte, etwas zu verpassen, weil alles JETZT und hier geschehen muss.

Der Glaubende, der Gott Hörende weiß nicht nur um die Endlichkeit dieses Lebens, sondern  um die Ewigkeit des Lebens bei Gott.

Deswegen ist dieser Jesus der gute Hirt, weil er erklärt hat, mitgeteilt hat, was uns erwartet. Er hat uns nicht im Unklaren gelassen. Kein Unglück, das Euch trifft, müsst ihr wirklich fürchten. Es kann euch nichts anhaben, weil Euer Leben endlos ist, unzerstörbar, ewig.