4. Advent

Das wird sich kein Mann vorstellen können- wie es sein muss, ein Kind zu erwarten. Wie es sein muss, dass im eigenen Leib etwas zu einem neuen Menschen heranwächst;

Wie es sich anfühlen muss, dass sich innerhalb von neun Monaten ein vollwertiges Lebewesen in mir entwickelt, in Symbiose mit mir, sich von mir ernährend, ganz mit mir verwachsen, von mir abhängig seiend und dabei dennoch zu einem eigenständigen menschlichen Wesen werdend.

 

Das Staunen über das Wirken der Lebenskraft.

 

Wie empfindet man das als Frau? Ist da Ehrfurcht? Freude, auch Stolz?

Wie verarbeitet man, dass mit diesem Wunder des Lebens unumstößlich der Schmerz der Geburt verbunden ist?

Ist da auch so etwas wie Erschrecken? Wie geht man damit um, zwar auf medizinisches Wissen zurückgreifen zu können, aber dennoch keine Garantie dafür zu haben, dass schon alles gut wird? Nicht zu wissen, welche Persönlichkeit sich da in einem entwickelt?

Wie stellt man sich vor, dass dieser Mensch werden wird? Ein ganz Großer mal? Einer, der die Weltgeschicke beeinflussen wird? Oder malt man sich ebenso aus, dass es auch ein unglücklicher Mensch werden könnte, einer, der anderen Leid zufügt?

Mann- und dieses Mal mit zwei N- kann diese Gedanken höchstens erahnen, aber nie so nachvollziehen wie eine Frau, die es selbst erlebt hat oder erleben wird.

So ist es allein menschlich gesehen, völlig nachvollziehbar, dass Maria sich aufmacht, ihre Cousine Elisabeth zu besuchen, die nun Mal eben auch schwanger ist. Zudem ist sie älter, viel älter als sie und kann ihr sicherlich Rat und Zuspruch geben. Es tut eben gut, in lebensumstürzenden Umständen mit einer vertrauten Person zu reden.

 

Aber wenn man dann das Evangelium ganz liest kann man nicht mehr sicher sein, ob das Gespräch für Maria beruhigend war oder eher noch aufwühlender. Denn es geschieht ja Ungewöhnliches, was zu dem passt, was an Ungewöhnlichem schon zuvor passiert war: Schließlich hatte ihr ein Engel angekündigt, dass sie schwanger werden würde. Und nun noch das: Elisabeth erzählt ihr prompt, dass ihr Ungeborenes in ihrem Leib vor Freude hüpfte als es mitbekam, dass Maria zu Besuch  kam- und mit ihr der andere Ungeborene, dieser Jesus.

Nun, jede Schwangere kann davon berichten, dass sich früher oder später das Kind in ihrem Körper bewegt, mal austritt oder mal gegen ein inneres Organ drückt. Insofern nicht ungewöhnlich. Nur die Interpretation ist es: dass das Kind vor  Freude hüpft.

 

Nun, wir wissen, dass biblische Geschichten immer Interpretationen sind. Und natürlich ist es auch diese: Schon in beider Mutterleib wird klar, so der Autor Lukas, dass eines der beiden Jungs, die da heranwachsen, nämlich Jesus,  mal was ganz Großes werden wird- und er, der kleine Johannes ist schon im Mutterleib stolz wie Oscar, dass er diesen ganz Großen bald persönlich kennenlernen wird.

Und für Maria wird es zur Bestätigung: Die Ahnung, die als Engel verkleidet über sie gekommen war, wird zur Gewissheit: In ihrem Leib wächst jemand heran, der sehr speziell ist, der etwas besonderes sein wird, so besonders, dass ihre Cousine Maria selig nennt- weil sie geglaubt hat, dass eben das passieren wird.

 

Glauben hat bekanntlich viel mit Vertrauen zu tun. Glauben ist nie Wissen, sondern, wie ich es neuerdings gerne formuliere, höchstens Gewissheit. Aus vielen Lebens- und Glaubenserfahrungen formt sich, nein kein Wissen, sondern Gewissheit.

Maria war offenbar so eine. Ihre gesammelten Erfahrungen lehren sie, dass es wahr sein muss, was da von ihrem Ungeborenen gesagt wird. Und so glaubt sie, vertraut sie.

 

Ob das ohne Elisabeth zur Gewissheit geworden wäre? Vermutlich nicht.

Glauben tut man nicht alleine. Glaube wächst im Austausch, Glaube wächst in der Gemeinschaft.

Nichts ist für die Entwicklung des Glaubens wertvoller als das Gespräch über die Erfahrungen, die man im Glauben gemacht hat.

Wie oft steht man wohl vor einer inneren Erfahrung und weiß nicht genau was man davon halten soll. Den wenigsten von uns wird so etwas Ungeheuerliches wie Maria angekündigt, aber viele von uns, die wir hier sitzen, haben etwas erlebt, das sie mit Gott in Verbindung bringen, ob als Begegnung, als Gebetserhörung oder als Ahnung, die sich zur Gewissheit verdichtet hat. Und dann tut es gut, zu hören, dass es auch anderen so geht, dann freut man sich über die Bestätigung, dass man in dieser so aufs Materielle ausgerichteten Welt doch nicht der Einzige, in Anführungszeichen Verrückte ist, der an Gott glaubt, etwas im Glauben erlebt hat und auf den Ewigen seine Hoffnung setzt.

Glaube braucht Austausch, braucht das Gespräch.

 

Ich weiß noch nicht wie, aber ich möchte es mir zum Ziel machen,  im kommenden Jahr Möglichkeiten zu finden, uns über unseren Glauben auszutauschen. Wie viele Fragen werden sich auch in Hinsicht auf Gott aus der Erfahrung der Pandemie ergeben haben? Wie hat das unsere Sicht auf die Welt und auf das Wirken Gottes in der Welt beeinflusst? Hat mich Corona von Gott weggeführt oder hingeführt? Was ist mir im Glauben wichtig geworden?  Welche Aspekte erscheinen mir nun ganz anders? Was erscheint mir nicht mehr als bedeutsam? Wo finden sich in der Botschaft der Bibel Ansätze, Einfluss auf das Geschehen in der Welt zu nehmen? Wo sind wir als Christen heute gefragt?

Fragen des Glaubens, auf die Maria alleine kaum eine Antwort gefunden hätte. Und so hat sie sich aufgemacht und im Gespräch mit ihrer Cousine  Gewissheit erhalten.

 

Ich würde mich freuen, wenn wir UNSERE Fragen des Glaubens, die immer auch Fragen mit Blick auf die Welt sind, im kommenden Jahr auch GEMEINSAM stellen würden und GEMEINSAM Antworten suchen würden.

 

Wer weiß schon, was dann in uns heranwächst, uns zur Gewissheit werden wird und damit Einfluss auf den Lauf der Welt nehmen könnte.

Klingt groß. Aber im Glauben kann Ungeheures Wirklichkeit werden.

Maria hat es jedenfalls so erfahren.

Es ist also zumindest einen Versuch wert.