3. März, 3. Fastensonntag

Jesus treibt die Händler aus dem Tempel

Oft genug werden Sie sich gefragt haben, was denn da in Jesus gefahren war- er, der sonst scheinbar Verständnis für alles und jeden hatte, wütet hier los;

er, der Friedfertige machte eine Geißel aus Stricken;

er, der Geduldige stürzte die Tische der Geldwechsler um und trieb sie aus dem Tempel;

er, der Verständnisvolle herrschte die Taubenhändler an und schrie: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle.

Seine Jünger müssen ähnlich erstaunt gewesen sein wie wir. Es ist nur ein Satz, aber es heißt: Die Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich.

Sie werden sich angeschaut und gefragt haben, was ist denn mit ihm los? Und dann werden sie sich an diese Stelle aus dem 69. Psalm erinnert haben, aus der dieser Satz, der Eifer für dein Haus verzehrt mich, stammt.

Das war offenbar die Erklärung: Der Eifer für sein Haus, der Einsatz für das Haus Gottes, der Ärger über die Missachtung des heiligen Ortes hatte Jesus aufgebracht.

Wenn ich mich aber nur ein wenig in Jesus hineinversetze, dann weicht dem Unverständnis über seine Reaktion Verständnis.

Seine Kraftquelle, das Fundament seines Lebens, dieses spezielle Verhältnis zu dem, den er seinen Vater nennt, war angegriffen.  Es muss eine Mischung aus Trauer und Wut gewesen sein, die ihn angetrieben hat. Wie könnt Ihr nur so blind sein und nicht sehen, wie weh es mir tut, was Ihr hier treibt? Wie kann es Euch nichts ausmachen, dass dieses Haus, das dazu gebaut wurde, um Gott näher zu kommen zu einem Platz wurde, an dem Handel getrieben wird, scheinbar der Dienst am Mammon den Dienst an Gott ersetzt hat?

Ihm, dem die stille Versenkung in Gott so wichtig war, muss das laute Getriebe des Tempels ein echter Gräuel gewesen sein.

Szenenwechsel: AT, die zehn Gebote.

Auch hier haben sich Ihnen vielleicht schon einmal ein paar Fragen gestellt. Z. B. diese: Warum nehmen die ersten drei Gebote allein von der sprachlichen Länge her schon die Hälfte aller zehn Gebote ein? Und warum drehen sich die ersten drei Gebote, die wichtigsten also nur allein um Gott? Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Nummer 1, das wichtigste also;

Du sollst den Namen des Herrn Deines Gottes nicht missbrauchen, Nummer 2 also; damit fast genauso wichtig wie Nummer 1;

Und dann noch: Gedenke des Sabbats, halte ihn heilig, Nummer 3. Auch in diesem geht es ja letztendlich um Gott, denn der Sabbat, für das Christentum der Sonntag, dient der Ehre Gottes, dem Gottesdienst.

Als hätte es nicht gereicht, z.B. als erstes Gebot zu nennen: Liebe Deinen Gott und dann wären 9 weitere Gebote gekommen, die sich mit unserer Lebenswelt, ganz praktisch also, auseinandergesetzt hätten. Stattdessen bleiben für alle anderen, doch so vielfältigen Probleme dieser Welt nur noch 7. Würden wir die 10 Gebote heute schreiben, wären die Gewichte jedenfalls verschoben.

 

Und wenn es darum geht, wie das Haus Gottes zu behandeln ist, dann wären wir auch längst nicht so engstirnig. Ach, für einen guten Zweck darf man doch dies und das mal verkaufen;

ach sicher kann man den Tempel, die Kirche auch mal für etwas anderes nutzen, es ist doch der größte und schönste Raum- was soll´s also.

Altar und Ambo stören, weil dort mal der Beamer, die Leinwand oder weiß der Himmel was einmal stehen muss? Kein Problem.

 

Ich kann diesen Jesus manchmal gut verstehen. Weil Jesus der Dienst am Menschen so wichtig war, ist er auch uns wichtig. Fantastisch, großartig, ja; anders ist der christliche Glaube auch nicht zu verstehen, beide Säulen gehören zusammen: Dienst am Menschen und Dienst am Gott. Aber der eine ist ohne den anderen nicht zu denken.

Für Jesus, für den Glaubenden geht der Dienst am Menschen nicht ohne den Dienst an Gott.

Deshalb ist diesem Jesus der Tempel so wichtig, deshalb haben die ersten drei Gebote einen solch hohen Stellenwert unter den 10 Geboten. Der Dienst am Menschen ist hohl und leer, wenn er nicht durch den Dienst an Gott begründet ist- jedenfalls für den glaubenden Menschen, für den Christen.

Das klingt für einige Ohren wieder schrecklich konservativ, so als ginge es darum, dass wir Menschen uns diesem Gott ständig beugen müssten, uns vor ihm kleinmachen müssten, so als zählten wir Menschen nichts im Vergleich zum großen allmächtigen Gott. Bloß keinen anderen Göttern folgen, nur nicht seinen Namen falsch benutzen, auf keinen Fall dem Sonntagsgottesdienst fernbleiben, Gott könnte ja erzürnt sein. Nur nicht laut sprechen in der Kirche, nur tiefe Ehrfurcht, Verneigung vor dem Tabernakel, kein Betreten der leeren Mitte. Gott könnte ja verärgert sein.

Nein, darum geht es nicht. Es geht nicht um Gott, es geht wirklich nicht um Gott, es geht um den Menschen.

Wer sollte denn ernsthaft glauben, dass der allmächtige Gott beleidigt sein könnte, wenn so ein kleiner Mensch einmal eines seiner Gebote NICHT beachtet? Wer sollte denn ernsthaft annehmen können, dass der ewige Gott sich darum schert, ob dieser Altar und dieser Ambo mal verschoben werden? Wer sollte denn ernsthaft davon überzeugt sein, dass der große Gott zornig werden könnte, wenn ich den Tabernakel, die geweihten Hostien nicht ehrfürchtig mit einer Kniebeuge verehre? Das ist doch lächerlich. Es geht nicht um Gott, es geht um den Menschen.

Es geht nicht darum, dass Gott dies alles bräuchte, es geht darum, dass WIR das brauchen.

UNS tut es gut, sein Haus als sein Haus zu betrachten. UNS tut es gut, einen Ort zu haben, der nicht für alles andere verzweckt werden kann. UNS tut es gut, uns immer wieder seines Namens zu erinnern; für UNS ist es wichtig, einmal in der Woche den Alltag zu durchbrechen, zur Ruhe zu kommen und uns an den WIRKLICHEN Sinn unseres Daseins zu erinnern.

Für UNS stehen die Kirchen, die Räume der Anbetung im Land, nicht für Gott. Was soll Gott mit diesem Raum, selbst prachtvollste Dome wie in Köln, Regensburg, Wien oder Rom dürften Gott herzlich egal sein. UNS sind sie Stätten der Erinnerung an Anfang und Ziel unseres Lebens. Darum geht es und darum ging es Jesus.

Schüttet Euch das Zentrum Eures Lebens nicht zu, verdeckt es nicht mit dem, was sowieso schon so viel Raum in Eurem Alltag einnimmt.

Immer wieder hört man auch Forderungen die Öffnungszeiten von Geschäften an Sonn- und Feiertagen freizugeben. Das Argument: Da hätten alle Zeit zum Einkaufen.

Ich kann Jesus verstehen: Trauer und Zorn kommen in mir hoch bei solch einer Argumentation.

Wer einmal eine Gesellschaft erlebt hat, in der es 7 Tage die Woche und 24 Stunden am Tag möglich ist zu shoppen, weiß endgültig, was es heißt, sich der Wirtschaft unterzuordnen. Mir bleibt es ein Rätsel wie jemand ernsthaft fordern kann alle Beschränkungen freizugeben und es mit dem Wohl der Menschen begründet.

Ja, viele können mit der Leere des Sonntags nichts anfangen, für Kinder und Jugendliche ist es ein Graus. Mir, der seine ersten 18 Jahre des Lebens auf einem Dorf verbracht hat, in dem die Dorfkneipe das einzige war, das am Sonntag geöffnet hatte, muss man nicht erzählen, was ein langweiliger Sonntag ist. Und dennoch: der Sonntag hat etwas Besonderes bekommen dadurch. Er war anders. Er durchbrach den Alltag.

Jesu Einsatz für den Tempel ist aus meiner Sicht genau damit motiviert: Der Tempel durchbricht Euren Alltag, er erinnert Euch an das, was ihr seid: nicht Geschöpfe, die dafür geschaffen sind, Konsument zu sein, die Wirtschaftskette geschmeidig am Laufen zu halten, Jobs zu erhalten und neu zu schaffen. Ja, das ist alles wichtig, es ermöglicht uns den Lebensstandard, den wir jetzt haben;

aber vergesst nie den Preis, den andere und Ihr selbst dafür zu bezahlen habt.

Die zehn Gebote mögen altmodisch klingen, sie sind aber ein Statement gegen das „es ist doch alles egal“. Nein, es ist nicht alles egal. Wer in einer freien Gesellschaft bestehen will, braucht Anker, um nicht mitgerissen zu werden; es braucht Standpunkte, die den instinktiven Drang in uns nach immer mehr und alles für mich bremsen. Es braucht Hinweisschilder, die uns immer wieder an das erinnern, was wir in Wahrheit sind: Gottes Ebenbilder, zu seinem Lob geschaffen.

Was war also in Jesus gefahren als er den Tempel austrieb? Vermutlich seine Trauer über die Oberflächlichkeit der Menschen, die ihren wahren Lebenssinn verdeckt und den inneren Frieden zerstört. Letztendlich war es eines, was ihn antrieb, den Tempel auszutreiben: Seine Liebe zu den Menschen.