25. Februar, 2. Fastensonntag

Gen 22,1-2. 9a.10-13. 15-18 

 

 

Was hatte man nicht alles versucht, um die Götter gnädig zu stimmen.

In vielen Kulturkreisen wurden dem grollenden Gott wertvolle Lebensmittel bereitet, von denen man hoffte, sie würden ihn wieder gnädig stimmen.

Nach schweren Naturkatastrophen durften es auch schon mal edle Metalle sein, auch damals schon immer wieder Gold.

In vielen Kulturkreisen, so auch im das Christentum prägenden Judentum waren es Tieropfer.

Das Alte Testament ist voller  Geschichten, in denen das Volk glaubt, Gott mit verbrannten oder geschlachteten Stieren, Widdern, Ziegen oder Lämmern gnädig stimmen zu müssen.

 

Nicht nur historisch ist die Geschichte unserer Religion oft eine blutige, sondern auch religionshistorisch.

Das Blut, das Opfern, spielte eine zentrale Rolle.

 

Dabei ist der Grund dafür ziemlich banal und menschlich.

Für den Menschen ist immer schon eine große Grundfrage bestimmend. Das ist die nach dem Sinn der Welt, die Frage nach dem Sinn seiner Existenz.

Von Anfang an konnte er nicht wirklich begreifen, warum die Welt so ist wie sie ist.

Vom Beginn bewussten Daseins an wird der Mensch sich gefragt haben, warum er in einer Welt lebt, die ihn mit Erdbeben, Feuern, schweren Krankheiten, wilden Tieren und dem Hass konkurrierender Stämme anderer Menschen plagt.

Seine Antwort war in so vielen Fällen, dass es die Götter waren, die das schickten.

Als Mensch war er nicht in der Lage, Stürme und gewaltige Erdbeben zu schicken. Also mussten diese von mächtigeren Wesen kommen.

Und diese mächtigeren Wesen nannten sie eben Götter- egal, ob diese nun Naturgötter waren, die sich in einer mächtigen Eiche wiederfanden, auf einem hohen Berg lebten, wie die griechischen Götter ihre Spiele untereinander oder mit den Menschen auch auf oft grausame Weise spielten,  oder eben als eifersüchtiger Jahwe im Himmel residierte.

Die Rechnung war eine ganz einfache:

wenn der Mensch bestraft wird –und so hat man großenteils Krankheiten und Katastrophen empfunden- dann muss er Böses getan haben. Jemand musste verstimmt worden sein.

Und um dessen Ärger zu besänftigen, ihn möglicherweise wieder auf die eigene Seite zu ziehen, bot man ihm das an, was einem besonders wertvoll erschien.

Und das waren zu den Zeiten, in denen der Nahrungserwerb das zentrale Motiv täglicher Existenz war selbstverständlich Lebensmittel, ob nun wertvolle wie  Reis oder Getreide in manchen asiatischen Kulturkreisen oder die besten Jungtiere nahöstlicher Nomaden, die religionsgeschichtlich unsere Vorfahren waren.

 

Die alttestamentliche Geschichte von Abraham und Isaak, die wir als erste  Lesung gehört haben, ist noch ein fernes Zeugnis davon, dass das Opferverständnis auch vor dem nicht Halt machte, was sicher als das wertvollste galt: das menschliche Leben- in diesem Fall das Leben des einzigen Sohnes, wohl das wertvollste Leben, das ein Vater opfern konnte.

 

Menschenopfer waren weit verbreitet, nicht nur in der weiten Welt, sondern auch bei unseren Vorfahren, den Germanen. Auch da gibt es Zeugnisse, dass beispielsweise aus Dankbarkeit für den Sieg in der Varusschlacht gegen die Römer Menschen geopfert wurden.

 

Die Geschichte von Abraham und Isaak ist aber gleichzeitig auch eine Geschichte der Abkehr vom Menschenopfer, denn das Opfer des Sohnes wird ja abgewendet. Statt des eigenen Sohnes wird ein Tier geopfert, aus damaliger Sicht sicher ein erheblicher Fortschritt, für uns heute aber immer noch ein barbarisches Tun, das wir nicht mehr mit Gottes Willen in Verbindung setzen würden.

 

Und doch: Unsere religiöse Sprache ist immer noch voll von Reminiszenzen an dieses blutige Geschehen: Immer noch sprechen wir vom Opfer Christi und in jeder Messe feiern wir dort auf dem Altar, also im zentralen Geschehen christlichen Glaubens, dass Jesus seinen Leib und sein Blut hingab für uns. Er wurde geschlachtet für unsere Sünden, um Gott zu befriedigen, weil wir doch so böse Menschen sind.

 

So interpretiert unterscheidet uns doch eigentlich überhaupt nichts von den blutigen Ritualen unserer Vorfahren, außer, dass wir es nicht mehr selber tun müssen, sondern Gott uns seinen Sohn, sein Wertvollstes gegeben hat, damit wir es am Kreuz töten, damit er zufrieden ist und wir wieder mit ihm in Frieden leben können.

Ein wenig klingt es wie eine Persiflage, aber man findet in der christlichen Theologiegeschichte genug Interpretationen, die genauso den Tod Christi deuten.

 

Heute allerdings nicht mehr. Heutzutage wird das Geschehen um Jesus anders gedeutet.  Das Blut und das Opfer wurden sprachlich verdrängt und vor allem mit dem Wort „Versöhnung“ ersetzt.

Das konsequente Handeln Jesu wird interpretiert als eine Art den so menschlichen Kreislauf des sich ständig gegenseitig hochschaukelnden Hasses, den Kreislauf des Bösen endlich einmal zu durchbrechen. Auf Hass wird nicht mit Hass geantwortet, sondern die Liebe hält auch die andere Wange hin und lässt damit die Gewalt ins Leere laufen.

 

Und diesen Weg hat christlicher Überzeugung nach, Gott in Gang gebracht. Dieser Jesus war sein Sohn, sagen wir. Er war also Gott selbst, sein Tun war göttlich, nicht menschlich.

Jesu Handeln zeigt uns wie Gott ist: konsequent dem Weg der Liebe folgend, dabei in Kauf nehmend, dass es auch im Tod enden kann. Denn die andere Wange hinzuhalten reicht nicht jedem Gegner. Mancher macht eben doch weiter und nimmt den ganzen Menschen und tötet ihn.

Und dabei NICHT diesen Weg zu verlassen, NICHT zurückzuschlagen, sondern  am Kreuz hängen zu bleiben, nicht die Engel zur Rettung zu rufen, wie es die Umstehenden auf  Golgotha vorschlagen, das ist der Wendepunkt menschlicher Geschichte.

 

Man mag Zweifel gehabt haben, dass das wirklich Gottes Weg war, aber die Geschichte Jesu endet ja christlicher Überzeugung nach nicht am Kreuz, sondern geht weiter bis zum Tag der Auferstehung, die ja eine Auferweckung ist.

GOTT ist es, der diesen Jesus lebendig werden lässt, ihn auferweckt.

Nicht Jesus steht aus eigener Kraft auf. Gott ruft ihn zurück ins Leben, weil er damit den Weg Jesu als richtig beschreibt.

 

Gottes Willen sind nicht die Opfer von Getreide, von Lämmern, Stieren, Widdern, Ziegen, nicht die Menschenopfer der Azteken, der Germanen, der Römer und Kanaaniter. Gott braucht das nicht. Gott schickt auch keine Katastrophen und Krankheiten zur Bestrafung des ach so bösen Menschen.

Er schickt nur seinen Sohn, der leidenschaftlich von der versöhnenden Liebe Gottes erzählt, die mit aller Konsequenz bis zum letzten geht.

Gott hat Jesus nicht getötet, kein Opfer für uns sterben lassen, nicht das Blut seines Sohnes für uns vergossen. Die Menschen haben Jesus getötet. Und Gott hat es  zugelassen. Nicht aus Bosheit, nicht aus Unwilligkeit, nicht aus Unvermögen, die Menschen daran zu hindern, sondern einzig und allein deswegen, weil die Liebe niemals den Weg der Gewalt, des Opfers und des Blutvergießens geht. Niemals, auch nicht, wenn es um den eigenen Sohn, um Gottes eigenen Sohn geht.

Zweifelsohne ein Wendepunkt im religionshistorischen Sinne. Christen brauchen keine Opfer.

Vor allem aber ein Wendepunkt menschlicher Existenz: Wer diesem Gott folgt, muss diesen Gott nicht besänftigen, er braucht keinen Deal mit ihm zu machen, er muss nicht mit ihm um sein Leben verhandeln, sondern er kann sich voll und ganz in diese Liebe fallen lassen und ihr vertrauen, Gott vertrauen.