27. So. 3. Oktober Die Frauen und die Demut

Gen 2,18-24 /03.10.2021

 

Demut- darüber will uns die gerade in unseren Räumlichkeiten begonnene Ausstellung zum Nachdenken bringen.

Die Demut: In weiten Kreisen hat sie lange keine Konjunktur gehabt, weil mit ihr kein Blumenstrauß zu gewinnen war. Mit Demut kommt man nicht weit in einer Welt, in der das laute Wort, das Vordrängeln, das „Auf-sich-aufmerksam-machen“ das Non-plus-ultra ist.

In der Kirche aber ist die Demut nach wie vor eine gefragte Tugend. Sich nicht so wichtig nehmen, sich selbst in den Hintergrund stellen, sich bescheiden;

mit ihr, der Demut eben, soll der Mensch sein Leben, so wie es ist, von Gott annehmen, ohne Widerspruch und ohne Aufbegehren, lediglich mit Vertrauen dem Allherrscher gegenüber, alle Ereignisse des Lebens annehmen und es eines Tages ruhig und hoffnungsvoll in die Hände Gottes zurücklegen.

Zwei Welten begegnen sich und passen immer weniger zusammen.

In der einen stelle ich mich möglichst ideal dar, in der anderen stelle ich mich zurück.

In der einen schreie ich laut „ich-ich-ich“, in der anderen „du-du-du“ oder „wir-wir-wir“.

In der einen ist der Erste der Erste und in der anderen der Letzte der Erste.

Im Idealfall befruchten sie sich gegenseitig, im schlimmsten Fall schließen sie sich gegenseitig aus.

 

Die heutige erste Lesung von der Erschaffung des Menschen zeigt wie schwer es ist, beide Welten übereinander zu bekommen. Die eine Welt versteht nicht mehr die Sprache der anderen und umgekehrt. Chance und Gefahr gleichzeitig.

Wie soll eine Geschichte, in der die Frau als ein Wesen gezeichnet wird, das aus der Rippe des Mannes erschaffen wird, kompatibel sein mit der gesellschaftlichen Vorgabe, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind?

 

Ist in dieser Geschichte nicht schon das angelegt, was sich so schicksalhaft über die eine Hälfte der Menschheit gelegt hat, nämlich das Ideal der stillen, sich zurücknehmenden, eben demütigen Frau, die für die drei K, Küche, Kinder und Kirche zuständig ist, während die andere Hälfte der Menschheit die Welt erobert?

In der die eine Hälfte der Menschheit immer in der Gefahr war, von der Demut in die Demütigung abzurutschen, während die andere Hälfte ganz leicht vom Vater, dem Pater zum Patriarchen aufzusteigen drohte?

Ist nicht auch in dieser Geschichte schon grundgelegt, dass bis heute in der Kirche vor allem die Frauen zur Demut angehalten sind, bitte -eben demütig- ihre Rolle annehmen mögen, einsehen mögen, dass der allmächtige Gott für sie eben nicht die höheren Ämter vorgesehen hat, während die Männer das mit großer Selbstverständlichkeit annehmen und ihre Berufung zur priesterlichen Erhobenheit und Erhabenheit lediglich demütig annehmen, um sie dann aber mit aller Macht auszuüben?

 

Die heutige Geschichte lässt sich erklären. Wir wissen, dass sie sogar im damaligen kulturellen Kontext den Frauen viel mehr zuspricht als diesen in der Regel zugestanden wurde. Auch spirituell lässt sich aus der Geschichte die Einheit von Frau und Mann hübsch beschreiben, denn aus der Seite des Mannes genommen, gingen beide nun fortan Seit an Seit durch die Welt, ebenbürtig.

Und dennoch: Der Mann war zuerst, er war der eigentliche Mensch- und dann kam die Frau, ein Seiten- oder besser Nebenprodukt des Mannes. Denn auch so kann man die Geschichte lesen, wenn man will. Und man -dieses Mal mit zwei „nn“- geschrieben muss zugeben, dass ihm diese Deutung sehr zupass kam.

Das wird den ein oder anderen Mann in unseren Reihen sicherlich sehr ärgern, denn auch in den Kirchen gibt es ja genügend wütende, alte, weiße Männer. Aber so ist das nun mal. Selber zumindest mit zwei dieser drei Eigenschaften ausgestattet, nämlich alt und weiß, komme ich leicht in die Rolle mit solch einer Predigt anbiedernd den Frauen gegenüber zu wirken. Schließlich stehe ich hier im Gewand der herrschenden Klasse  in unserer Glaubensgemeinschaft, dem Klerus; herrschend-  in diesem Wort steckt schon wieder der Mann drin, dieses Mal als Herr bezeichnet.

Und nach wie vor hat keine der hier anwesenden Frauen die geringste Chance eines Tages so ein Gewand anlegen zu können, es sei denn die gnädigen Herren gestatten es.

So lange aber das Argument, dass Jesus ja nur Männer als Apostel ausgewählt hat, ernsthafte Grundlage jeder Abwehr des Frauenpriestertums ist, ist in dieser Richtung nicht viel zu erwarten.

 

Und da kommt dann wieder die Demut ins Spiel. Denn sie wird bei diesem Punkt vor allem von den Frauen erwartet: Nehmt Eure Rolle an, so ist das eben, gottgegeben halt.

Erstaunlich, dass das immer noch funktioniert.

 

All das erwähne ich hier, weil sich eine kirchliche Gemeinschaft, die sich mit dem Thema „Demut“ auseinandersetzt, auch auf die wunden Punkte stößt oder gestoßen werden muss, wenn sie es nicht von alleine tut.

Demut wird nämlich von Männern und Frauen auch aufgrund dieser biblischen Geschichte durchaus unterschiedlich empfunden. Ohne das zu klären, werden wir uns kaum auf ein für alle annehmbares Verständnis dieses Begriffes einigen können, weil unser aller Erfahrungen mit diesem Begriff nämlich so verschieden sind.

In meiner Eigenschaft als Mann, der darüber hinaus auch noch Priester ist, werde ich sehr selten, eigentlich nie gedemütigt. Jedenfalls nicht innerhalb der Kirche. Die Stola öffnet mir nach wie vor Tür und Tor.

Außerhalb der Kirche neuerdings schon eher, wenn ich meinen Beruf nenne. Da steht man nicht mehr automatisch auf dem Sockel eines gut angesehenen Berufes. Dafür hat die unsägliche Missbrauchsschande der letzten Jahre gesorgt.

 

Aber wie viele Frauen werden immer wieder die Erfahrung der Demütigung gemacht haben, innerhalb UND außerhalb der Kirche?

Schluckt man das als Frau einfach? Ist man so erzogen als gute, katholische Frau, weil es ja schon immer so war und man es deswegen nicht anders kennt?

 

Wie oft werden Frauen in Kirchen gesessen haben und klammheimlich gedacht haben, das könnte ich aber besser, zogen aber dann zurück, weil das ja eben nicht geht? Ist das nicht institutionelle Demütigung, Tag für Tag ausgeübt?

 

Und welche Rolle spielt dabei die Marienfrömmigkeit? Vornehmlich Frauen sind es, die sich in ihr beheimatet fühlen. Frauen, vielleicht auch deswegen, weil neben all den Männern in Maria endlich mal eine von ihnen verehrt werden darf?

Wenn schon nicht in real, dann wenigstens im Ideal?

Fragen über Fragen.

 

Ich scheine weit vom Thema „Demut“ abgekommen zu sein. Aber ich meine, dass man sich innerhalb der Kirche mit diesem Thema nicht unvoreingenommen befassen kann, wenn man nicht auch die Folgen mitbedenkt, die die jahrhundertelang gepredigte Demut für die Hälfte der Gemeindemitglieder, nämlich den Christinnen, gehabt hat.

 

Die eigentliche Absicht, die der Kulturkreis hatte, als er sich entschied, eine Ausstellung zur Demut vorzubereiten, war, dass diese Eigenschaft in unserer Welt eher unterbelichtet ist, dass wir ihr Raum geben sollten, weil wir der Selbstbezogenheit, die rundherum herrscht, etwas entgegenstellen sollten.

Wir waren und sind der Auffassung, dass die Demut ein Gegenmittel gegen den Egoismus ist, dass sie uns dazu führen könnte, die Welt nicht weiter erobern zu wollen, sondern mit ihr lernen könnten, uns der Schöpfung ehrfurchtsvoller zu nähern, demütiger eben.

Ich bin nach wie vor dieser Meinung und möchte das in einer anderen Predigt ggf. einmal weiter ausführen.

Da uns heute aber am ersten Sonntag der Ausstellung nun der Zufall, oder besser die göttliche Fügung, uns den biblischen Schöpfungsbericht vor die Füße geworfen hat, möchte ich auf die Folgen hinweisen, die ein falsch verstandener Begriff von Demut haben kann.

Ich lasse Sie deswegen heute eher mit Fragen als mit Antworten zurück. Aber das ist nicht immer schlecht und passt gut zur Ausstellung, denn auch sie will eher in Frage stellen als Antworten geben. Denn auch das ist eine Frage der Demut: Meine ich schon auf alles eine Antwort zu haben oder kann ich erst einmal die Fragen zulassen- und damit ggf. zu ganz neuen Antworten kommen.

In manchen Bereichen der Gesellschaft und der Kirche jedenfalls wären sie bitter notwendig.