26. So. im J. 26. September, oder: Zumutungen des Evangelisten Markus
Mk. 9, 38-43
Puh, nach dieser Lesung und diesem Evangelium muss man erst einmal durchatmen. Ist das derselbe Gott, von dem sonst so sanft und barmherzig erzählt wird? Ist das der Gott der Bergpredigt?
Was ist da in Jesus gefahren, dass einem Bilder der Scharia in den Kopf kommen, wo ebenfalls Glieder zur Strafe abgehackt werden und mit religiösem Eifer zur Entscheidung aufgerufen wird?!
Normalerweise würde ich dieses Evgl als von seiner Zeit geprägt auf die Seite wischen, würde sagen, dass das Gottesbild Jesu im Grundsatz ein anderes ist, wie so viele ANDERE Stellen der Bibel es zeigen. Aber darf ich das? Mache ich mir da nicht ein Bild von Gott zurecht, obwohl eines der zehn Gebote klar sagt: Du sollst Dir kein Bild machen noch irgendein Gleichnis von dem, was im Himmel ist?
Sind wir, bin ich nicht in Gefahr, nur EINE Seite Gottes zu verkünden und aus dem liebenden Gott einen harmlosen, kraftlosen, ziellosen zu machen?! Führt das Reden vom alles verzeihenden Gott nicht auch in die Gefahr des dann-ist-doch-sowieso-alles-egal?
Nun, ich bleibe zwar der Überzeugung, dass Gott tatsächlich die reine Liebe ist und tatsächlich alles verzeiht, aber das muss ja nicht heißen, dass Gott nicht auch Ansprüche, Vorstellungen vom idealen Leben, Forderungen hat. Liebe ist doch auch fordernd.
Und daran erinnert die heutige Stelle sehr eindringlich.
Es geht um die Ernsthaftigkeit der eigenen Nachfolge. Das, was man im Glauben ergriffen hat, soll sich im eigenen Leben radikal widerspiegeln. Es ist eben nicht immer nur ein netter Spaziergang, sich auf den Glauben dieses Jesus einzulassen, sondern es tut auch einmal richtig weh. Gerade Markus, von dem dieser Text ja stammt, stellt die Umkehr in den Mittelpunkt. Die ersten Worte, die er Jesus sprechen lässt lauten: Kehrt um und glaubt an das Evangelium.
Der Glaube an Jesus äußert sich also in einer radikalen Umkehr, in einer radikalen Hinwendung zum Gutsein. Für die Zeitgenossen Jesu war es ein gängiger Gedanke, dass Auge, Hand und Fuß als Verführer zum Bösen gesehen wurden. Daher gab es in der Antike bis hinein in die Neuzeit die entsprechenden drakonischen Strafen. Damit sollte der möglichen Verführbarkeit dieser Gliedmaßen und Organe in Zukunft Einhalt geboten werden. Dieses Denken ist für uns mit Recht befremdlich, aber damals war es Grundlage der gängigen Rechtspraxis.
Jesus kennt natürlich diese Art des Denkens und nutzt es, um sein Anliegen deutlich zu machen:
Wer sich aufmacht, um Jesus nachzufolgen, um nach seinen Prinzipien zu leben, der muss Ernst machen mit der Umkehr.
Umkehr ist hier die radikale Abwendung vom Bösen. Nur auf diesem Hintergrund lässt sich der Gedanken verstehen, sich von den Gliedmaßen zu trennen. All das, was uns am Schlechten festhalten lässt, müssen wir hinter uns lassen. All das, was uns verführen will, gilt es zu überwinden.
Zunächst einmal ist nicht der Blick auf den anderen angesagt, sondern der Blick auf das eigene Leben, auf die eigene Verstricktheit ins Böse, auf die Lieblosigkeiten, mit denen wir uns arrangiert haben, auf die faulen Kompromisse, die wir oft genug eingehen, um nicht allzu Ernst machen zu müssen mit der Botschaft Jesu. Eine solche Radikalität, wie sie hier Jesus einfordert ist nicht leicht zu ertragen, gerade weil uns heute so schreckliche Bilder von religiösen Fundamentalisten in den Sinn kommen, mit deren Folgen wir uns in der Form von Millionen Flüchtlingen gerade auseinanderzusetzen haben. Religion setzt offenbar riesige Kräfte frei, die sich in heiligem Leben, aber eben auch in blindem und übermäßigem Hass äußern können. Grenzenlos in beide Richtung. Dass es Jesus um die radikale und grenzenlose Kraft der Liebe geht, die eben auch Folgen hat, muss hoffentlich nicht eigens erwähnt werden.
Christ zu sein ist eben mehr als die Sonntagspflicht zu erfüllen, Christ zu sein, ist mehr als im Gebet zur Ruhe zu kommen und sich geborgen zu wissen. Christ zu sein will uns GANZ prägen –auch und gerade unseren Alltag, unser Denken, Fühlen und Handeln. Das ist ja gerade das Herausfordernde, das ist ja das Anspruchsvolle unseres Glaubens, das wir nicht nivellieren oder schönreden können. Hier geht es um die Konsequenz, um die Frage, ob es andere in unserer Nähe spüren können, dass es uns als Christen um das Ganze geht, um Himmel UND Erde und nicht nur darum, dass unsere kleine Insel der Seligen überlebt.
Es geht NICHT darum nur Zukunftsversionen für unsere Kirche zu entwickeln, sondern für unsere Welt! Der Evglist Mk will uns konfrontieren und provozieren, er erspart uns die Frage nicht, worum es letztlich geht!
Und Mk arbeitet ja in seinem Evgl heraus, wie ernst es Jesus selbst um den Himmel ist. Das hat die Menschen auch damals provoziert und wir wissen dass es nur eine Frage der Zeit war, wann Jesus den Preis für diese Konsequenz zu zahlen hatte.
Jesus ist auf´s Ganze gegangen. Es ging ihm um Gott UND die Menschen und das verlangte von ihm alles, was er als Mensch opfern konnte, sein Leben. Aber wir erfahren in seiner Auferstehung, dass solch ein Leben Sinn ergibt! Nicht der Egoismus, das schnuckelige Kreisen um uns selbst trägt den Sieg davon, sondern das „für alle“! Das ist die Hoffnungsbotschaft, aus der man leben kann; die uns bereit macht, Liebe konkret werden zu lassen, jetzt in diesen Wochen und Monaten in der Sorge um Flüchtlinge, ein anderes Mal im Widerstehen gegen manchen Zeitgeist und im politischen Handeln für eine bessere Welt. Dazu gehört eben auch, sich immer mal wieder auseinandernehmen zu lassen, das eigene Handeln in Frage stellen zu lassen, auch so brutal offen wie es Jakobus in seiner Lesung getan hat.
Es ist ja eine heftige Ohrfeige, die da den Reichen in seiner Lesung gegeben wird. Und diese Ohrfeige gilt uns. Wer sonst ist denn reich in dieser Welt? Wer, wenn nicht wir Europäer?
Ihr Reichen,
weint nur und klagt über das Elend, das euch treffen wird.
Euer Reichtum verfault,
und eure Kleider werden von Motten zerfressen.
Euer Gold und Silber verrostet;
ihr Rost wird als Zeuge gegen euch auftreten
und euer Fleisch verzehren wie Feuer.
Noch in den letzten Tagen sammelt ihr Schätze.
Aber der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben,
der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt,
schreit zum Himmel;
die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht haben,
dringen zu den Ohren des Herrn der himmlischen Heere.
Ihr habt auf Erden ein üppiges und ausschweifendes Leben geführt,
und noch am Schlachttag habt ihr euer Herz gemästet.
Von manchen biblischen Texten würden wir gerne verschont. Aber dem wirklich Glaubenden darf auch der radikale Blick auf die Wirklichkeit nicht erspart bleiben. Es geht letztendlich immer um das Gleiche: Weil Ihr nicht wirklich und radikal glauben könnt, weil Ihr Euer Vertrauen nicht wirklich und radikal auf Gott setzt, braucht Ihr das Festhalten an irdischen Dingen und Gütern. Und in Eurer Angst und Furcht vor dem eigenen Untergang klammert Ihr Euch an materielle Sicherheiten, versucht so reich wie möglich zu werden, auch auf die Gefahr hin andere auszubeuten, so dass ihre Klagerufe zu den Ohren des Herrn der himmlischen Heere dringen. Und überseht dabei, dass nichts davon bleibt; kein Aktienpaket, keine einzige Immobilie, kein Investment in Gold oder andere Rohstoffe hat irgendeine Bedeutung am Tage nach Eurem Tod. Deswegen entledigt Euch dessen, was Euch bindet, hackt es ab, reißt es heraus. Dann mögt Ihr in den Augen der Welt verstümmelt dastehen, aber in den Augen Gottes habt Ihr Euch das erhalten, was WIRKLICH zählt: Gemeinschaft mit ihm, Liebe zu ihm und all seinen Geschöpfen, die einzige Kraft, die die Welt, die uns zum Guten verwandeln kann.