09.10.22/ 28. So. im Jahreskreis

Die erste Lesung stellt uns Zuhörern die Person des Naaman vor Augen, eines wohlhabenden und von seiner Stellung her wichtigen Menschen aus dem damaligen Syrien. An ihm lassen sich ein paar Dinge klären.

Er erinnert einen an bestimmte Situationen aus der Gegenwart. Menschen, die es sich leisten können suchen Spezialisten auf, um Heilung von möglicherweise unangenehmen und auch schwer diagnostizierten Krankheiten zu finden. Da fließt schon viel Geld in die Taschen von Ärzten, Pharmafirmen, weil die Krankenkassen wenig oder gar nichts für entsprechende Medikamente oder Therapien bezahlen.

Und wie erwähnt: Naaman ist nicht irgendwer. Er ist der oberste Feldherr nach dem König im damaligen Syrien, hat also genügend Geld, um sich Ratschläge, wie er von seinem Leiden befreit werden kann, auch im „Ausland“ einzuholen.

Dort stößt er aber auf zwei Hindernisse: Erstens ist er  ein Fremder, kein Israelit, und zweitens  schließt ihn der Aussatz ohnedies aus der Gesellschaft aus. Aber das hält ihn, erfolgsverwöhnt wie er eigentlich ist und – typisch „Ich bin ja so wichtig und deswegen weiß ich alles besser“ nicht davon ab, erst einmal zu kritisieren und abzulehnen, was ihm angeboten wird. Siebenmaliges Untertauchen- was soll das? Da hätte ich auch Euphrat und Tigris in der Heimat nehmen können, die sind größer als dieser mickrige Jordan.  Aber am Ende beugt er sich doch der Anweisung und wird gesund und für seine Heilung dankbar.

Dann geht es weiter: Naaman ist ernsthaft dankbar und will seine Dankbarkeit dem Propheten Elischa zeigen. Dieser aber weist die Geschenke strikt ab. Jeder Korruptionsbeauftrage heutzutage würde sich über diese Haltung freuen.              Warum Elischa die Geschenke der Dankbarkeit nicht angenommen hat, bleibt aber offen. Das wird hier nicht erwähnt. Vielleicht wollte der Bearbeiter dieser Textstelle besonders betonen, dass hier Gott selber eingreift und nicht der Prophet Elischa.

Nun, es ist nicht wirklich wichtig. Ich erwähne es nur, weil wir        -abgesehen vom Korruptionsbeauftragten- dieses Verhalten vermutlich als unhöflich ablehnen würden. Echte Dankbarkeit darf man gerne mit einem Geschenk ausdrücken. Und vor allem: Das Evangelium sieht das doch ein wenig anders. Denn hier wird über die fehlende Dankbarkeit nachgedacht.

Hören wir es uns an:

Evangelium

Fortsetzung Predigt

Auch wenn ich eben die Dankbarkeit erwähnt habe, ist dieses Evangelium  vor allem eine Heilungs- und Bekehrungsgeschichte. Die Aussätzigen, die ja sozial und medizinisch in einer sehr aussichtslosen Situation waren, wurden geheilt: wider alle Erfahrung, wider allen medizinischen Wissens. Aussatz konnte man bekanntlich nicht heilen, deswegen mussten die Erkrankten unter sich leben, fernab jeder Siedlung, ohne jede Fürsorge durch andere. Und daraus befreit sie dieser Jesus, der Heiland, der Heiler, der, der Gottes Heil verkündet und vor allem lebt. Von ihm hatten sie gehört, ihm gingen sie entgegen. Er war ihre letzte Hoffnung- und die enttäuscht er nicht. Sie werden geheilt.  Und natürlich erwartet man dann Dankbarkeit- sogar Jesus erwartet sie. Jedenfalls fragt er danach, warum nur einer zurückkehrt und die anderen neun nicht.

Nun, es ist eben mehr als nur eine Erzählung von Heilung und Undankbarkeit- es geht, wie gesagt um Bekehrung- um Umkehr. Nur einer der zehn kehrte um, bekehrte sich. Ein Fremder, ein Samaritaner, einer, der mit den örtlichen Gegenheiten und den lokalen Traditionen nicht so vertraut war. Für ihn war dieser Jesus etwas ganz Besonderes. Er hatte ganz neue Augen, die Augen eines Fremden, die neugieriger und wacher auf die Wirklichkeit schauen als die Augen derer, die schon alles kennen, weil sie dort schon lange lebten.

Bekehrung heißt bekanntlich im Griechischen »metanoia«, was so viel bedeutet wie Umkehr im Denken und im Tun, im Handeln also.

Der Römerbrief wird diesbezüglich sehr deutlich: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, ändert euer Denken und prüft, damit ihr erkennen könnt, was der Wille Gottes ist.“ (Röm.12,2). Dem Samaritaner fällt es leichter anders als im Traditionellen zu denken und zu handeln. Schließlich ist ihm dort alles fremd und er kann das Übliche hinterfragen. Ändert Euer Denken und prüft, damit ihr erkennt, was der Wille Gottes ist, ist für ihn einfacher.

Umkehr und Bekehrung wäre für uns leichter, wenn uns nicht alles uns Umgebende so selbstverständlich erschien: unsere Umgangsformen, unser Wirtschaften, unser Umgang mit der Welt, mit der Schöpfung, mit den anderen. Wir haben lange tradierte Regeln und Umgangsweisen antrainiert und selten wirklich hinterfragt. Es ist eben wie es ist. Erst schwerwiegende Ereignisse lassen uns aufwachen, neu denken, umkehren. Die anderen neun kehrten nicht um, weil sie den Blick für das Besondere verloren hatten.

Diese eigentlich nicht nachvollziehbare Haltung dieser neun ist nur zu verstehen, wenn man es im Rahmen der Bekehrung betrachtet. Umkehr und Bekehrung ist dem einfacher, der das Bekannte verlässt, offen für das Neue ist und Dinge nicht für selbstverständlich hält.

Es wird vom Evangelisten nicht die Undankbarkeit thematisiert, sondern die Unfähigkeit des Menschen umzukehren. Selbst einschneidende Erlebnisse führen in der Regel nur kurz für ein Umdenken. Schnell sind wir wieder in alten Bahnen und gehen unserem Leben nach wie wir es bisher kannten.

Und doch ist die Dankbarkeit etwas, was in diesem Evangelium eine Rolle spielt. Nicht, weil Jesus, weil Gott Dankbarkeit erwartet oder gar nötig hätte. Jesu Frage, wo denn die anderen neun sind, ist ja eher eine verwunderte Frage, keine enttäuschte. Für mich klingt es wie: erstaunlich, dass sie nicht auch zurückkommen, merkwürdig, verbunden mit einer Neugier, warum Menschen so sind wie sie sind. Gott braucht keine Dankbarkeit, weil Gott per definitionem nichts benötigt. Gott ist alles, Gott hat alles, er benötigt nichts.

Wir sind es, die Dankbarkeit benötigen- und zwar auch in Hinblick auf unsere Fähigkeit zur Umkehr hin. Deswegen findet sie sich als Thema in dieser Erzählung wieder.

Dankbar ist der, der nichts für selbstverständlich hält. Und wer nichts für selbstverständlich hält, der hinterfragt. Warum sind Dinge wie sie sind? Sind sie richtig wie sie sind? Müsste etwas verändert werden? Oder ist etwas gut wie es ist, und weil es gut ist, wie es ist, ist der darüber Nachdenkende eben – genau: dankbar.

„Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.“

Das sagt Jesus am Schluss zu dem Umgekehrten, zum Bekehrten: Steh auf. Dieser hatte sich schließlich vor Jesus auf den Boden geworfen, aus Dankbarkeit. Er wusste nicht wie ihm geschah, er kannte nur eine Haltung: Tiefste Dankbarkeit, ausgedrückt im Sich-Niederwerfen.

Und Jesus sagt ihm: Steh auf.

Aus der Dankbarkeit ergibt sich die Haltung des Aufstehens. Der Dankbare sieht klarer, erkennt die Wirklichkeit und ist bereit einzustehen für das, was er als gut und wirklich erkannt hat. Er steht auf, tut etwas, findet sich nicht ab, weil er aufgewacht ist.

Die heute erzählten Geschichten sind Geschichten vom Verlassen der üblichen Wege, Naaman ließ sich zunächst widerwillig, aber dann doch auf das Eintauchen im Jordan ein, eine Heilungsmethode, die er erst ablehnen wollte, weil er sie nicht kannte und nicht verstand. Aber danach war alles anders für ihn. Seine Dankbarkeit kannte keine Grenzen und sie eröffnete ihm neue Wege.

Ebenso erging es dem einen von den zehn Geheilten. Die Dankbarkeit ließ ihn umkehren, bekehrte ihn zum Handeln. Und er stand auf.

Meister Eckhart schon formulierte: „Wäre das Wort DANKE das einzige Gebet, das Du je sprichst, so würde es genügen.“ Feiern wir also gleich Eucharistie, Dankesfeier, auf dass uns immer wieder neu die Augen aufgehen für das vermeintlich Selbstverständliche, für den Willen Gottes und für das, was diesem in dieser Welt, in unserer Welt nicht entspricht: Und dann stehen wir auf, verändern und verändern diese Welt. Denn: „Steh auf und geh, Dein Glaube hat Dich gerettet“