25. Juni Gemeindefest

Diese Woche las ich von der Kirche St. Antonius in Foret, die gerade in eine Kletterhalle umgewandelt wird und sehr bald eröffnet wird.

Zunächst mal tat mir das in der Seele weh. Aber wenn man dann genauer hinschaut, zeigte sich, dass die Alternative Baufälligkeit und mittelfristig Verfall des Gebäudes gewesen wäre, weil die Gemeinde die Kosten nicht mehr decken konnte. Sie war schlichtweg zu klein geworden und das große Gebäude passte nicht mehr zur Gemeinde.

 

Dieser Artikel erinnerte mich daran, dass die Dinge nie bleiben wie sie sind. Sicherheit ist immer vermeintlich. Der Wandel, die Dynamik gehören zum Leben, nicht die Starre.

 

Man kann also auf die Veränderungen mit Schock reagieren und wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren oder man nimmt die Veränderung als zum Leben dazugehörig an und versucht, sie zu steuern, statt sich ihr nur auszuliefern.

 

Ich erwähne das heute an unserem Gemeindefest nicht um die Stimmung zu verderben, sondern den Schwung des Feierns zu nutzen, um uns gegenseitig zu stärken und damit fit zu machen für das, was eben zum Leben dazugehört: Die Veränderung.

Das gilt für Individuen ebenso wie für Gruppen, Institutionen und Organisationen und damit auch zu unserer Kirche und zu unserer konkreten Gemeinde St. Paulus.

 

Man kann ja gerade in Deutschland sehr schön beobachten wie schwer es Gesellschaften fällt, sich auf Neues einzustellen. Von allen Seiten wird das Gewohnte bedroht: Millionen von Einwanderern formen mit ihrer puren Anwesenheit das Gesicht des Landes neu;

oder der nicht mehr zu verleugnende Klimawandel erfordert die Umstellung unserer Art des Wirtschaftens;

und der Angriff Russlands auf die Ukraine lässt viele zweifeln, ob das Land noch so sicher ist, wie es vor kurzem noch erschien.

 

Und plötzlich werden diejenigen, die versuchen, sich den notwendigen Konsequenzen, die sich aus diesen Entwicklungen ergeben, zu stellen und in Gesetze und Verordnungen zu packen, verteufelt und diejenigen, die populistisch all das verneinen und von Konzepten träumen, von denen man dachte, sie wären nun endlich in der Mottenkiste verschwunden, erleben ungeahnte Umfragehöhen.

Viele verkriechen sich eben lieber in altgewohnten Vorstellungen in der Hoffnung, dass der Sturm schon irgendwie an ihnen vorübergehen wird.

 

Man muss sicherlich zugeben, dass es auch nicht angenehm ist, das alles mutig und mit offenem Visier anzugehen. Wenn man einmal in einem bequemen Bett liegt, hält man möglichst lange daran fest und vergräbt sich lieber in den noch warmen Kissen, bevor man mit nackten Füßen über den kalten Boden läuft, um ein neues zu suchen, von dem man nicht weiß, ob es so bequem wie das alte sein wird.

Wenn einen der Sturm der Zeit aber dann zum Aufstehen zwingt, ist es weitaus schwieriger im Wolkenbruch das neue Bett ausfindig zu machen.

 

Unsere Welt erfordert gerade leider das Aufstehen. Bequem liegen bleiben ist eigentlich keine Option mehr. Der Wecker klingelt nun zum wiederholten Male.

 

Es ist hier nicht der richtige Ort und nicht der richtige Zeitpunkt auszubuchstabieren, was das konkret heißen könnte.

Das gilt für die gesellschaftliche Situation, aber auch für die kirchliche, im Grundsätzlichen, aber auch im Konkreten für unsere Gemeinde.

Wir sollten aber die Warnzeichen nicht übersehen. Der Glaube wird schon seit langem nicht mehr wie selbstverständlich an die nächste Generation weitergegeben. Vielerorts sind die Kirchen so unattraktiv geworden, dass dort keine jungen Menschen mehr zu finden sind. An den Schulen ist Religionsunterricht schon lange nur noch ein Fach, für das sich nur noch wenige voll Überzeugung entscheiden.

Es ist nichts Neues, darauf hinzuweisen, dass das religiöse Wissen wie das Eis in der Arktis schneller und schneller taut.

Wäre der praktizierte Glaube die Legitimation für unsere Feiertage hätten wir schon lange nicht mehr an Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Ostern frei, selbst Weihnachten würde dem nicht mehr standhalten.

Und die Skandale der letzten Jahre haben nicht nur mit großer Berechtigung an unserer Reputation gekratzt, sondern sind für viele der letzte Tropfen gewesen, der das Fass der Enttäuschung und Entfremdung zum Überlaufen gebracht hat.

 

Und wer meint, St. Paulus wäre aber von diesen Entwicklungen verschont, macht sich was vor: Die Zahl unserer Firmanden hat sich in diesem Jahr im Vergleich zu den letzten Jahrgängen glatt halbiert, die Zahl der Erstkommunionkinder ist um 1/3 zurück gegangen, auch Taufen haben wir nicht mehr so viele wie früher- und das, wo viele ihre Feste durch Corona aufgeschoben hatten, aber wie es nun scheint, viele nicht nur aufgeschoben, sondern ihre Pläne auch aufgehoben haben.

Und wer einmal durch eigene Erfahrungen oder durch das Bild in den Medien von der Kirche enttäuscht wurde, wird sich auch nicht nach einem Umzug nach Brüssel auf die Suche nach einer Gemeinde machen- warum sollte er erwarten, dass es hier anders ist als woanders?

Dazu kommt, dass die finanzielle Ausstattung der Kirche ebenfalls in Gefahr gerät. Vor Jahren schon wurde bekanntlich die Stelle der Pastoralreferentin von St. Paulus gestrichen und nur durch das beherzte und großzügige Vorgehen vieler Gemeindemitglieder konnten wir verhindern, dass Nina Müller gehen musste.

Und wie lange unsere Räumlichkeiten noch großzügig vom Eigentümer, der deutschen Bischofskonferenz also, instandgehalten werden, ist ebenso offen wie die Bereitschaft der weniger werdenden Mitglieder unserer Gemeinde die Arbeit von St. Paulus finanziell zu unterstützen. Man muss nicht Mathematikprofessor sein, um sich auszurechnen, dass die Mittel weniger werden, wenn die Zahl der Mitglieder schrumpft, es sei denn diese geben mehr als bisher, was aber bei zunehmend steigenden Kosten in anderen Bereichen auch nicht einfacher wird.

 

Veränderung also. Ich freue mich über den Esprit des neuen KGRs. Eine gute Mischung aus bisherigen und neuen Mitgliedern, die geäußert haben, sich auch mit neuen Ideen an die Arbeit zu machen.

Das ist neben der täglichen, auch die Arbeit daran, St. Paulus wetterfest für die Zukunft zu machen. Dafür werden wir in Zukunft sicherlich intensiv zusammensitzen. In welche Richtung es gehen wird, ist noch nicht ausgemacht. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir eine gute Richtung nehmen werden. Dafür gibt es ein paar Voraussetzungen. Zwei davon sind im heutigen Evangelium genannt:

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln:

Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.

Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern!

 

Fürchtet Euch nicht und versteckt Euch nicht.

So kann man das wohl zusammenfassen.

 

Versteckt Euch nicht: Die Gefahr ist groß, dass wir uns nicht mehr mit unseren Ideen  und mit unseren Vorstellungen und Idealen in die Öffentlichkeit wagen. Wer die Erfahrung macht, abgelehnt oder lächerlich gemacht zu werden droht eingeschüchtert und ängstlich zu werden.

Ich bin sehr davon überzeugt, dass die Botschaft des Evangeliums, die für Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Gemeinschaft steht genau das richtige Konzept ist, um viele unserer gesellschaftlichen Probleme zu kurieren. Wer sich mit einem guten Rezept in der Ecke oder im Keller versteckt, vergibt nicht nur eine Chance, sondern wird zum Verräter- an der guten Sache selbst, aber auch an der Welt. Wir haben mit unserer Botschaft die Möglichkeit, die Welt zum Besseren zu wenden- nutzen wir sie. Bieten wir sie immer wieder an, übersetzen sie, dass Menschen neugierig werden und sie verstehen. Das ist zumindest in unseren Breiten DIE Aufgabe der Kirche und jeder Gemeinde und damit auch für St. Paulus. Es wird unsere Pflicht in den nächsten Jahren sein, dies auszubuchstabieren, uns klar zu werden, was das denn im Detail heißt.

 

Versteckt Euch nicht- und ausdrücklich: Fürchtet Euch nicht.

Ja, einfach ist unsere Aufgabe nicht. Aber wir dürfen uns darauf verlassen, dass wir auf einem starken Fundament stehen. Wir haben nicht auf Sand, sondern auf Fels gebaut.

Der Glaube an den einen Gott, an seinen Sohn Jesus Christus und an die Kraft, die aus dem Hl. Geist erwächst ermöglicht es, die Angst zu überwinden.

Das geht nicht automatisch, nicht wie auf Knopfdruck, sondern muss eingeübt werden.

Und daraus ergibt sich eine zweite Aufgabe für die Kirche, für jede Gemeinde und somit auch für St. Paulus: Den Glauben stärken. Wenn der Glaube tatsächlich unser Fundament ist, dann ist es erste Pflicht, sich dieses Fundamentes immer wieder zu versichern. Unsere Gemeinschaft ist eine Glaubensgemeinschaft. Glaube ist nicht nur etwas zwischen mir und Gott, nicht nur etwas Individuelles, was meiner persönlichen Entwicklung dient, er bildet unsere Gemeinschaft, er verbindet uns. GEMEINSAM stärken wir uns im Glauben, GEMEINSAM feiern wir unseren Glauben und GEMEINSAM gehen wir damit vor die Tür und hoffen andere mit unserer Zuversicht anzustecken.

Wir feiern heute Gemeindefest, es sollte besser heißen, GEMEINSCHAFTSfest. Und wir beginnen das immer mit DEM Gemeinschaftsfest, das unser Zentrum ist: Hier mit der Messe, mit der Communio. Daraus erwächst unsere Kraft. Wir feiern nicht uns, sondern unser Fundament, wir feiern nicht, dass wir so toll in St. Paulus sind, sondern wir feiern, dass wir mit dem Glauben etwas entdeckt haben, dass ein Fundament für unser Leben ist und eines für jeden Menschen sein möchte und sein könnte. Wir feiern eine Ahnung davon zu haben, wie die Welt sein könnte, würde sie sich auf die Regeln des Jesus Christus einlassen.

Verstecken wir uns nicht- und fürchten wir uns nicht.