12. November 32. So im Jahreskreis

Bibeltext: Mt. 25.ff

Zehn Jungfrauen, die auf den Bräutigam warten? Öllampen? Bräutigam entgegengehen? Geschlossener Hochzeitssaal?

Schnell noch zu den Händlern, um fehlendes Öl nachzukaufen?

 

Dieses Evangelium könnte kaum weiter von unserer Gegenwart entfernt sein. Es wirkt eher wie ein Märchen aus 1001 Nacht.

 

Aber Märchen haben den Vorteil eben das zu tun: Uns in eine andere Welt zu entführen, manche lassen uns träumen, manche geben uns einen anderen Blick auf die eigene Welt und manche halten einen Ratschlag bereit.

 

Das letztere trifft wohl auf diese heutige Erzählung zu: Sie gibt uns einen Ratschlag und erfüllt damit beiläufig auch den Tipp der ersten Lesung: nämlich die Weisheit zu suchen, IHR den Vorrang zu geben, denn diese ist strahlend und unvergänglich, wie es da hieß. Über sie nachzusinnen, ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorge frei.
Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind;
freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen
.

Die Weisheit.

Ein Wort, inzwischen so fremd wie die Märchenerzählung von den 10 Jungfrauen. Weisheit ist heute selten ein Lebensziel, wenn überhaupt, dann ist Smartsein eines. Aber das ist nicht dasselbe.

In Smartsein steckt so etwas wie Bauernschläue, es steckt darin auch den anderen zu übertrumpfen und dabei eine gewisse Schlauheit an den Tag zu legen. Die Weisheit dagegen hat das Ziel, weise zu werden.

Sie ist selbst das Ziel.

Wer weise ist, blickt mit Abstand und Verständnis auf das Leben, die Weisheit versucht alles Geschehen einzuordnen. Die Weisheit benötigt ein ruhiges Betrachten der Dinge und steht dem 15-Sekunden-Video bei Tiktok oder einem schnellen Tweet bei X diametral entgegen. Deswegen geht bei der Weisheit nichts in 15 Sekunden und deswegen findet sich bei Tiktok keine Weisheit.

Weisheit erreicht man nur mit längerem Nachdenken, mit einem respektvollen Austausch von Argumenten, mit dem Willen sich in den anderen hineinzuversetzen und damit seine Ansichten, ja ihn selbst zu verstehen.

Nur der Weise findet zu Gott, nicht der Schnelle, nur der, der offen ist für die Erfahrungen und Gedanken eines anderen, nicht der, der nur seine eigenen Erfahrungen und Gedanken in die Welt schleudern will.

Weisheit also könnte die Welt verändern. Deswegen rät die Lesung dazu, die Weisheit zu suchen.

 

Und so lasst uns die Geschichte von den 10 Jungfrauen noch einmal anschauen und nach ihrem Tipp auf dem Weg zur Weisheit suchen.

Der Text ist ja irgendwie schräg. Unabhängig von den erwähnten Jungfrauen, von denen die Hälfte offenbar vergessen hat, genügend Öl für ihre Lampen mitzubringen, könnte einem das Ende dieses Evangeliumstextes auch noch Angst machen, denn die ohne Öl waren zu spät gekommen, die Tür war schon zu und sie wurden nicht mehr eingelassen. Der Bräutigam sagt einfach, er kenne sie nicht- aus und vorbei. Sie bleiben draußen. Angst könnte es machen, weil es ja in diesem Bild um die ewige Gemeinschaft, die hohe Zeit, die Hochzeit mit dem himmlischen Bräutigam, die Begegnung mit Gott im Himmel geht. Die Hochzeit, das ewige Leben mit dem auferstanden Christus, findet ohne die fünf vergesslichen Jungfrauen statt. Und warum? Weil sie nicht perfekt vorbereitet waren. Kurz: Sie kamen nicht in den Himmel, weil sie Fehler hatten. So könnte man meinen.

Aber das stimmt so nicht: Es ist kein einziges Wort davon zu lesen, dass sie nicht eingelassen wurden, weil sie das Öl vergessen hatten. Der Bräutigam schaut nicht darauf. Ihm ist das offenbar völlig egal, mit oder ohne Öl, mit Lampen oder ohne Lampen- egal. Entscheidend ist, dass sie nicht da waren als es darauf ankam. Der Fehler der sogenannten törichten Jungfrauen war nicht, dass sie das Öl vergessen hatten, sondern dass sie dem Bräutigam nicht vertrauten, dass er sie auch ohne brennende Lampen einlassen würde.

Er hatte die Tür zum Himmel weit geöffnet, die sogenannten klugen Jungfrauen wurden eingelassen, die anderen aber verpassten den Augenblick. Wären sie da gewesen, hätte der Bräutigam nicht ihre Lampen kontrolliert, nachgeschaut, ob sie auch eine blütenreine Weste hatten, sondern hätte sie alle eingelassen. Aber sie waren nicht da.

Wenn unsere Gedanken also ausschließlich um das Öl kreisen, verpassen wir das Wesentliche, und das Wesentliche ist die Begegnung.

Im Hinblick auf die fünf sogenannten törichten Jungfrauen könnte man sich natürlich fragen: Warum haben sie nicht genügend Öl für ihre Lampen mitgenommen? Warum haben sie nur so kurzfristig gedacht? Vielleicht haben sie gedacht, reicht schon. Mit dieser Hoffnung haben sie sich auf den Weg zum Fest des ewigen Lebens gemacht.

Es wird schon reichen, das kennen wir das auch. Mancher sagt sich: Ich bin getauft, wird schon reichen. Ich zahle Kirchensteuer. Das wird schon reichen. Ich gehe zum Gottesdienst. Das wird schon reichen.

Aber offenbar geht es darum überhaupt nicht. Dem himmlischen Bräutigam geht es nicht darum, dass ich bestimmte christliche Haken hinter meine Biographie gesetzt oder bestimmte fromme Leistungen erbracht habe, nach dem Motto, es kommt nur in den Himmel, wer regelmäßig an kirchlichen Veranstaltungen teilgenommen und Kirchensteuer bezahlt hat.

Es geht nicht um die Menge des mitgebrachten Öls. Nein, ganz sicher nicht.

Der Fehler der Frauen bestand nicht darin, dass sie zu wenig Öl bei sich hatten, zu wenig gute Werke vorzuweisen hatten.

Fehler zu machen und unzulänglich zu sein, gehört zum Menschsein dazu. Davon konnten schon Adam und Eva ein Lied singen. Wir können nicht immer alles voraussehen und jedem gerecht werden und auch nicht immer alles richtig einschätzen. Passiert schon mal, dass man zu wenig Öl dabei hat. So sind wir Menschen. Fehler machen uns erst zum Menschen.

Dem heutigen Text nach können wir davon ausgehen, dass uns sicher nicht angerechnet wird, wenn wir nur als kleines Licht vor Gott erscheinen werden oder nur im Schlepptau der Klugen und Vorbildlichen, die genügend Öl für ihre Lebenslampen dabeihatten. Der Bräutigam prüft nicht die Menge des Öles.

WIR meinen oder befürchten, dass es nicht reicht. Wie hieß es im Text? „Die törichten (Jungfrauen) sprachen zu den klugen: Gebt uns von euerem Öl, denn unsere Lampen verlöschen. Da antworteten die klugen (Jungfrauen) und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst!“

Da erst beginnt die Torheit. Da machen sie ihren Fehler. Indem die einen auf die anderen hören und sich etwas von ihnen einreden lassen, werden sie töricht. Sie entfernen sich vom Ort der Begegnung mit dem Bräutigam. Und so sind sie nicht anwesend, als der Bräutigam schließlich kommt. Sie fehlen dort, wo das Entscheidende passiert. Sie verpassen die Begegnung mit Christus, der mit ihnen zum Hochzeitsfest gehen würde, zum ewigen Leben. Und so kommt es zu keiner Beziehung zwischen den törichten Jungfrauen und dem Bräutigam. Zwar sind sie ihm zuerst entgegen gegangen. Doch dann sind sie umgedreht und haben auf diese Weise das Ziel ihres Lebens verfehlt.

Das ist die Torheit, der Fehler, den sie gemacht haben. Und deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich der Bräutigam später nicht mehr an die sie erinnert, als sie mit gefüllten Lampen vor der Tür des Hochzeitssaales erscheinen. „Ich kenne euch nicht“ sagt er. Die fehlende Beziehung wird den jungen Frauen jetzt zum Verhängnis. Was nützen ihnen jetzt ihre voll gefüllten Öllampen? Was nützt es, dass sie sich jetzt vermeintlich ins rechte Licht setzen können. „Ich kenne euch nicht.“- heißt, wir sind uns ja noch nie begegnet. Wer seid Ihr? Auf die Begegnung kommt es an.

Wir dürfen davon ausgehen, dass der Bräutigam lieber gesagt hätte:

Ich kenne euch, ihr seid meine Freunde. Ihr habt auf mich gewartet und wart da, als ich kam. Kommt herein und feiert mit mir das Hochzeitsfest. Übersetzt:  an unserer Beziehung zu Christus entscheidet sich, ob unser Leben in einem großen Hochzeitsfest ankommt oder eben nicht.

Wir haben dazu den Schlüssel in der Hand. Nicht Gott schlägt uns die Tür vor der Nase zu, wir selbst haben uns nicht auf die Begegnung mit ihm eingelassen, waren nicht da, mit anderem beschäftigt, sind dem Gerede auf den Leim gegangen, dass wir mehr Öl bräuchten, mehr vorweisen müssten, um Einlass zu finden.

Nein, sei einfach da, mit dem was Du hast und mit dem wie Du bist. Das reicht. Dein Öl reicht.

Wir dürfen darauf vertrauen, dass wir mit unseren Fehlern und Unzulänglichkeiten, mit unseren halbgefüllten Öllampen und auch, wenn wir kleine Lichter waren, zum großen Hochzeitsfest eingelassen werden. Wir können darauf vertrauen, dass wir nicht vor verschlossenen Türen stehen werden, wenn wir auf dem Weg zu Christus bleiben. Er verspricht uns vielmehr, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern das Tor weit geöffnet ist.

Wir müssen nur zur Begegnung mit ihm bereit sein, dann und jetzt.  Das ist alles.