20. Nov. , Christkönig

Naturgemäß hat man, je älter man wird, jedes Fest im Verlauf eines Jahres immer öfter gefeiert. Das gilt für alle Feste- ob die persönlichen Feiertage wie Geburts- oder Hochzeitstage ebenso wie für die Gemeinsamen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Oder eben auch für das Fest Christkönig, das traditionellerweise das kirchliche Jahr abschließt, bevor es nächste Woche mit dem Advent neu beginnt.

 

Wir haben für jedes Fest unsere Rituale und so wiederholt sich mit kleinen Variationen immer wieder dasselbe – Jahr für Jahr.

 

Rituale sind dabei von nicht zu unterschätzendem Wert, geben sie uns doch einen sicheren und verlässlichen Rahmen; man muss nicht immer wieder alles neu erfinden, sondern kann sich auf Bewährtes zurückziehen, kann sich innerlich zurücklehnen und fallen lassen.

Das tut gut.

 

Allerdings frage ich mich manchmal, ob wir nicht an manche Feste einen darüberhinausgehenden Anspruch haben oder haben sollten. Manche Feste sollten uns doch vielleicht auch verändern, uns auf unserem Lebensweg weiterbringen.

 

Mit Christkönig verbindet sich die Botschaft, Christus im eigenen Leben einen Platz einzuräumen, das Leben durch ihn bestimmen zu lassen, nicht vornehmlich durch anderes, sondern durch ihn. Christus als König in seinem Leben regieren zu lassen, bedeutet das Leben aus der Sicht auf ihn hin und von ihm als Fundament her zu leben.

 

Das klingt gut und wir würden dem sicher auch alle zustimmen.

 

 

Aber haben wir das nicht auch letztes Jahr schon gesagt und für gut befunden? Oder vor fünf Jahren, vor zehn oder zwanzig?

Und was hat sich verändert?

Bestimmt Christus mein Leben mehr?

Sind meine Grundsätze andere geworden, nach denen ich mein Leben ausrichte?

Sind mir z.B. Wohlstand oder Fortkommen in dieser Zeit unwichtiger geworden und habe ich dafür anderes stärker in den Blick genommen?

 

Ich habe meine Zweifel.

 

Was verändert sich eigentlich durch den Glauben an Christus in meinem Leben?

Gibt es da eine Entwicklung?

Wachse ich auf ihn zu?

Komme ich ihm näher?

Ist mein Lebensziel immer mehr von der Beziehung zu ihm bestimmt?

 

Ich habe meine Zweifel.

 

Und wenn diese Zweifel berechtigt sind und wir zwar all die wunderbaren Appelle an unser Gewissen hören, ihnen auch zustimmen, sich dann aber nichts wirklich verändert- was stimmt dann nicht?

Was hält uns ab? Was steht uns im Wege?

 

Ich befürchte, dass das mit dem Wesen von Appellen zu tun hat.

Appelle, Aufrufe, rühren an unser schlechtes Gewissen, sind Aufforderungen, etwas anders zu machen. Das kennen wir aus vielen Lebensbereichen: Iss weniger Fleisch, flieg weniger, sei umweltbewusster.

Oder: kümmere dich mehr um die Kinder, melde Dich doch mal wieder bei der alten Tante oder bei dem Freund von früher. Die freuen sich sicher.

Oder: Die Welt ist so ungerecht. Setz Dich doch mal für die ärmeren Länder oder Menschen ein. Tu mehr als nur ab und an zu spenden. Du könntest das doch.

Oder: Lass Christus in deinem Leben mehr Raum, lass ihn als König in Dir regieren, richte Dich nach ihm aus.

 

Ach je: Wir werden diesen Appellen innerlich in den meisten Fällen zustimmen, aber werden wir sie umsetzen?

 

Die Antwort überlasse ich Ihnen.

 

Meistens verändern wir uns nur, wenn es neben den Appellen auch das eigene Leben erfordert. Wenn ich merke, dass ich etwas verändern MUSS. Erst dann, wenn es an meine Existenz rührt, wenn es mein Leben so sehr beeinflusst, dass es erhebliche Risiken für mich selbst nach sich zöge, wenn ich nichts veränderte, ja dann, dann verändere ich etwas. Dann fruchten ggf. auch die Appelle.

Aber sonst?

Eher nicht.

Dann lösen diese nur ein schlechtes Gewissen aus.

Das will keiner haben, also schiebe ich die Appelle schnell wieder auf die Seite, versuche sie zu vergessen und mache weiter wie bisher.

 

 

Eine andere wichtige Voraussetzung, Veränderungen auch tatsächlich umzusetzen, ist eine Beziehung zu dem Objekt, der Person oder dem Projekt zu haben.

Sich mehr Zeit für die Kinder zu nehmen, ist schon schwer genug, aber wenn ich sehe, dass sie diese wirklich brauchen, dass es ihnen sonst nicht gut geht, dann bringe ich die Veränderung auf.

 

Wenn aber mein Haus im Grünen weiterhin unbedroht im Grünen steht, keine Flut, Dürre oder ein Hurrikan es aller Voraussicht nach bedrohen wird, dann werde ich nicht dauerhaft mein Umweltverhalten ändern, nur weil das ggf. in Pakistan  zu Überschwemmungen führt. Sollte dort aber meine Familie leben, dort gar jemand bei der Flut umgekommen sein, dann werde ich schon eher bereit sein, mein Verhalten zu verändern.

 

Es hängt alles an Beziehungen.

Wenn ich emotional mit etwas verbunden bin, dann ist die Bereitschaft, sich dafür einzusetzen, weitaus höher. Dann bin ich bereit, auch Eigenes aufzugeben, Verhalten in Frage zu stellen, mich zu verändern.

 

Beziehungen sind also der Schlüssel.

 

Aus dem bisher Gesagten könnte man dann auch den Umkehrschluss ziehen, dass, wenn ich wenig bereit bin, in einem bestimmten Punkt etwas zu verändern, etwas in dieser Beziehung nicht stimmt- oder gar keine Beziehung besteht.

 

Im religiösen Bereich würde das bedeuten, dass etwas in der Beziehung zu Gott oder zu Jesus Christus nicht stimmt.

Wenn also z.B. mit dem heutigen Fest der Anspruch verbunden ist, Christus mehr in meinem Leben Raum einzuräumen, mehr nach seinen Regeln zu leben, ihm immer näher zu kommen, das aber nicht funktioniert, dann dürfte es an der Beziehung zu ihm liegen.

 

Was ist Beziehung?

Im Lexikon der Psychologie fand ich folgende Beschreibung:

Beziehung hat als Basis den Kontakt und die Kommunikation- diese können in Intensität sowie Art und Weise variieren und dadurch die Beziehung prägen“.

Kontakt und Kommunikation sind die Basis von Beziehung. Und die Intensität von beidem und die Art und Weise von Kontakt und Kommunikation prägen die Intensität der Beziehung.

 

Das dürfte für jede Art von Beziehung gelten, zu Menschen, zu Projekten, zu Vorhaben und auch zu Gott.

Der Appell, Christus als König in meinem Leben regieren zu lassen wird nur dann fruchten, wenn schon eine Beziehung vorhanden ist, die möglichst intensiv ist- so jedenfalls verstehe ich die eben gelesene Beschreibung.

 

Eigentlich ist das heute eine sehr schlechte Predigt, denn ich habe nach wohl zehn Minuten immer noch nicht den Punkt erreicht, der meine eigentliche Botschaft heute sein soll: Dann also jetzt: Alle unsere gegenseitigen Appelle, Jesus mehr nachzufolgen, bleiben erfolglos, wenn sie nicht vom Gebet begleitet werden.

Steile These?

Nun, Gebet ist für mich Beziehungspflege zu Gott. Beziehung ist die Grundlage dafür, dass Appelle fruchten, also muss ich was an der Beziehung tun.

Ich denke oft darüber nach, was wohl in der gegenwärtigen auch religiösen Krise helfen würde. Ob wir uns noch mehr sozial engagieren sollten? Ob wir die Strukturen unserer Kirche verändern müssten? Oder vielleicht unsere Kräfte bündeln sollten, in dem wir mit anderen Institutionen zusammenarbeiten, die im ethischen Bereich ähnliche Ziele verfolgen? Oder oder oder.

Vieles davon müssten wir vermutlich wirklich tun- es würde helfen, aber ich komme immer mehr zu der frömmlerisch wirkenden Erkenntnis, dass wir mehr beten sollten.

Im 1. Brief an die Thessalonicher schreibt Paulus: „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass

Betet ohne Unterlass.

Das Gebet ist Beziehungspflege zu Christus. Aus der Beziehung zu Christus erwächst unser Glaube, erwachsen die Werke der Nächstenliebe, Caritas und soziales Engagement. Das Gebet ist damit das Fundament unserer Gottesbeziehung.

 

Und wenn das so ist, dann sollte unser weiteres Nachdenken dem Gebet gelten. Ich befürchte, dass dort einiges im Argen liegt. Ich befürchte, dass wir Geistlichen es viel zu oft versäumt haben, Ratgeber im Gebetsleben zu sein.

Wie oft werden Sie von mir eine Predigt zu diesem Thema gehört haben?

Haben Sie jemals Hinweise von mir gehört, wie man das Gebet vertiefen kann? Ich befürchte, so gut wie nie. Immer wieder werden Sie Appelle zum Gutsein, zur Nächstenliebe, zur Unterscheidung der Geister, zum Einsatz für Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Frieden und Freiheit gehört haben, aber zum Gebet? Ich jedenfalls habe nur eine Predigt dazu in meinem Archiv gefunden. Und die ist von 2017. Sonst nichts.

 

Nun, vielleicht vermissen Sie das auch gar nicht. Denn in dieser moralinsauren Zeit erscheint es uns möglicherweise völlig normal, ständig mit moralischen Appellen zugedröhnt zu werden.

Mein Nachdenken heute über Christkönig und die Wirkungslosigkeit so vieler Appelle auch im religiösen Leben hat mich jedenfalls zu der Erkenntnis geführt, dass Appelle nur etwas nützen, wenn sie auf der Grundlage einer möglichst intensiven Beziehung getätigt werden, auch im religiösen Bereich. Und wenn wir unsere Beziehung zu Christus festigen wollen, brauchen wir dazu Handwerkszeug. Und das ist im religiösen Leben das Gebet.

Ich habe mir also vorgenommen, demnächst diesen Faden aufzunehmen und mit Ihnen tiefer über die Werkzeuge des Gebetes nachzudenken. Denn ich würde so gerne für uns alle erreichen, dass dieser Christus innerlich- in uns also- wächst; und mit ihm seine Überzeugungen, so dass diese Überzeugungen mich am Ende bestimmen, in mir regieren, dass Christus sozusagen mein innerer König werde.