Pfingsten ökumenischer Gottesdienst

Nein für überbordende Sinnlichkeit und Körperlichkeit ist das Christentum nicht bekannt.

Wenn es auch zwischen einem puritanisch oder pietistischem Glaubensmodell aus dem Südwesten Deutschlands  und einem bayerisch-barocken Katholizismus erhebliche Unterschiede geben mag, bei den einen eher Wasser als ideales Getränk  gilt und bei den anderen die Maß Bier, so werden doch Sinnesfreuden im gesamten Christentum eher mit Skepsis und Distanz betrachtet als gefördert. Das Ideal des Christen ist die Askese, die Zurückhaltung und die Selbsteinschränkung.

 

Körperlichkeit, Sexualität und Sinnesfreuden werden mit Naturreligionen, mit heidnischen Praktiken verbunden und sind als sündenbelastet angesehen.

 

Landläufig heißt es zwar gerne, die Katholiken wären da nicht ganz so engstirnig, weil die ja immerhin nach begangener Sünde zur Beichte gehen können, aber es bleibt dennoch Sünde. Und so gibt es  nur graduelle Unterschiede zum Protestantismus – grundsätzlich sind die Konfessionen nicht so verschieden in Bezug auf das Verhältnis des Christen zum Körper.

 

Und wenn man auf die starken Diskussionen um die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der kath. Kirche schaut, die kürzlich aufgekommen waren als der Vatikan seine alte Position wiederholte, dass zwar Menschen gesegnet werden könnten, aber nicht die Sünde – denn das ist die gelebte Homosexualität in den Augen der kath. Morallehre ja – weiß man, dass es nach wie vor ein großes Problem im Umgang mit Körperlichkeit, mit Sexualität in der Glaubenslehre gibt.

Dieses spezielle Thema ist zwar auch deswegen in der kath. Kirche so heikel, weil der hohe Anteil Homosexueller im Klerus der Kirche dazu führt zu verstecken, was nicht sein darf und dementsprechend dazu, dies auch in der Lehre heftig zu bekämpfen, aber das wäre nur ein Teil der Wahrheit.

 

Sexualität und Körperlichkeit sind eher igitt. Sie sind in Kauf zu nehmen und dürfen höchstens der Kinderzeugung in engen Grenzen dienen, ansonsten mögen sie bitte vermieden werden.

Und so sind die Schlüsselpositionen zumindest in der kath. Kirche und in den höheren Hierarchien der orthodoxen Kirchen mit ehelos lebenden Männern besetzt und diejenigen Frauen und Männer, die sich in den Klöstern einem gottgeweihtem Leben widmen, sind eben das: Gott geweiht und nichts anderem.

Das sieht zwar in den protestantischen Kirchen liberaler aus, aber auch da wird man nicht davon sprechen können, das Körperlichkeit und Sexualität von hohem Wert in Bezug auf die Frömmigkeit eines Menschen gesehen werden. Ja, sie existieren, ja, sie sollen und müssen gelebt werden, aber auf dem Weg zu Gott spielen sie keine Rolle, im Gegenteil, sie müssen kontrolliert und eingeschränkt werden, sonst werden sie zur Gefahr im geistlichen Leben eines Menschen.

Nun, das ist ja auch nicht ganz verkehrt. Ohne Zweifel ist auch eine grenzenlos gelebte Sexualität mit Gefahren verbunden. Auch darin kann man sich verlieren, sich so binden, dass für nichts anderes mehr Platz bleibt.

 

Bisher nicht sehr pfingstlich wird sich der ein oder andere denken.

 

Und denken wir an den Festinhalt, an den Hl. Geist, dann hat das bisher Gesagte nicht sehr viel damit zu tun- eher im Gegenteil.

 

Geist ist für uns eben das Gegenteil von Körper.  Der Geist ist frei von Materie, ist nicht an Raum und Zeit gebunden, kann sich durch diese bewegen, sich an jeden vorstellbaren Ort begeben ohne Grenzen und Barrieren. Der Körper hält ihn eher davon ab, dieser ist manchmal bis zum Schmerz an die Welt gebunden, hält einen am Boden und lässt Höhenflüge die Ausnahme sein und nicht die Regel.

 

Und das gilt erst recht für den Heiligen Geist.

Er ist der, der uns heraushebt aus den Tiefen irdischer Existenz, er ist die Verbindung zu Gott, zum Ewigen, zum Edlen, zum Heiligen. Er überwindet die Grenzen zwischen Materie und Geistigen, er macht uns frei.

 

Halt könnte man einwerfen:

Haben wir im 1. Kor.brief nicht gehört, dass unser Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?

Ist damit nicht der Körper als DER Ort bezeichnet, an dem dieser Geist Gottes andockt, Heimat findet?

Aber ja, natürlich ist er das.

Wo sonst soll mich denn der Geist anrühren, treffen, ja erfüllen?

 

Ich bin als Mensch doch Körper, so erlebe ich doch meine Existenz. Ich kann mich ohne den Körper gar nicht wahrnehmen. In unserer Erfahrung ist mein Bewusstsein, mein Ich, meine Seele an die Materie, an den Körper gebunden. Der Körper ist der Ort meiner Erfahrung, auch der Ort meiner heiligen Erfahrungen, auch der Ort des Heiligen Geistes.

Das betont Paulus hier. Dein Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes.

 

Bevor Sie aber nun in Staunen und Bewunderung über ihren eigenen Körper ausbrechen, muss ich Sie doch erst noch einmal bremsen. Denn leider ist dieser Satz eher, wie so oft bei Paulus in Bezug auf die Körperlichkeit, eine Warnung als ein Lob der Körperlichkeit. WEIL Dein Leib der Erfahrungsraum des Hl. Geistes ist, musst Du alles vermeiden, was diesen Leib entehrt.

Und das ist für Paulus die Unzucht.

Diese gilt es dringend zu vermeiden, um diesen Tempel des Hl. Geistes auf keinen Fall zu entehren.

Es führt in unserem heutigen Zusammenhang nicht weiter, darauf einzugehen, was für ihn nun Unzucht ist. Es ist nur wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass für Paulus der Körper nur deswegen etwas Wertvolles ist, weil wir mit diesem Körper den Geist Gottes wahrnehmen und nicht, weil er grundsätzlich etwas so Großartiges ist.

 

Und dennoch hänge ich noch an dem Gedanken, dass der Körper der Erfahrungsraum des Hl. Geistes ist- ja, das doch gar nicht anders sein kann;

wie sonst als mit unseren Sinnen sollen wir Erfahrungen machen, auch die frommen und heiligen Erfahrungen.

Und ist dann der Körper nicht nur einfach ein hinzunehmender Ort, der zwar oft genug lästig ist, weil er zwickt und zwackt und weil er mich in Grenzen hält, sondern ist er nicht ein hoch zu schätzendes Werkzeug für die Begegnung Gottes?

 

Auf die Jünger kamen Zungen wie von Feuer herab.

Müssten wir diesen Zungen eine Farbe zuordnen wäre das ohne Frage rot.

Rot, die Farbe des Feuers, aber nicht nur, Rot ist auch die Farbe der Liebe.

 

Und wenn wir auf die Wirkung dieser Zungen, die ja nur ein Bild für den Hl. Geist sind, von dem die Jünger erfasst wurden, schauen, dann darf man doch ohne Frage auch sagen, dass diese von Liebe erfasst wurden.

Sie begannen nach Pfingsten, nach diesem Ereignis damit, Gemeinschaften aufzubauen, Gemeinden –

und ein Kennzeichen dieser Gemeinden war, dass man sich dort in gegenseitiger Liebe begegnete, einen Umgang miteinander pflegte, der andere zum Staunen brachte. Der Geist Gottes ist der Geist der Liebe.

Gott ist die Liebe, wird der 1. Johannesbrief nicht müde in unterschiedlichsten Formen immer wieder zu betonen.

 

Die Liebe also.

Schauen wir doch mal auf unsere eigenen Liebeserfahrungen: Ich kann nur für jeden hoffen, dass er oder sie diese Erfahrungen mindestens einmal machen durfte: sich einem anderen Menschen so nahe zu fühlen, dass man in seiner Gegenwart auflebt, nicht ohne ihn sein möchte, sich mit ihm vereinen möchte, ein Fleisch sein möchte, möglichst für immer, bis das der Tod uns scheidet.

 

Diese Art von Liebe ist doch eine Liebe auf mindestens zwei Ebenen: Auf einer geistigen, auf der man sich austauschen möchte, sich ergänzt, aneinander wächst und reift und auf einer körperlichen, in der man sich möglichst nahe kommen möchte, so nahe wie man einem Menschen nur sein kann, sich vereinen möchte, so sehr, dass nichts mehr zwischen einem steht, man eins wird miteinander.

 

Wir wissen alle, dass das nur Momente sind, dass das kein Dauerzustand ist, sondern dass das Glücksmomente sind, Höhepunkte des Lebens, nach denen wir uns aber immer wieder sehnen.

 

Die Liebe zu einem Menschen lässt uns etwas erfahren, wonach wir uns im Tiefsten alle sehnen, nach Einheit, nach Vereintsein, nach einem Zustand, in dem wir nicht alleine sind, einem Zustand in dem die Erfahrung der eigentlich unüberwindlichen existentiellen Einsamkeit des Menschen aufgehoben ist, wenigstens für einen Moment.

 

Ich glaube, dass wir in dieser Welt sind um die Erfahrung des Getrenntseins zu machen.

Des Getrenntseins von der Ewigkeit, des Getrenntseins vom ewigen Gott, der die Liebe ist, des Getrenntseins von der Liebe.

 

Mitgegeben ist uns die Sehnsucht nach dem Urzustand des Lebens, nach der Einheit von Gott und Mensch, nach dem Paradies, nach dem Garten Eden, in dem das Getrenntsein überwunden war.

Da wollen wir wieder hin.

Was wir Gott nennen, was wir Ewigkeit nennen, ist der Zustand der tiefen Verbundenheit allen Lebens miteinander, etwas, das wir anfanghaft in jeder echten Liebe spüren.  Deswegen ist jede echte Liebe nicht nur eine Liebes-, sondern auch eine Gotteserfahrung. Dort, wo ich liebe, erfahre ich, ja was: Liebe. Und noch einmal: Gott ist die Liebe. Dort, wo ich liebe, erfahre ich Gott!

 

Und Liebe manifestiert sich eben nicht nur geistig, sondern auch körperlich. Da wo zwei Menschen miteinander eines Fleisches werden, eins werden, erfahren sie Gott.

 

Die Liebe ist das stärkste Gefühl, das wir entwickeln können, ja, das muss sie sogar sein. Denn die Liebe ist der Fingerzeig Gottes in dieser Welt auf ihn hin. Jede Liebe weist uns auf Gott hin, zeigt uns den wahren Grund unserer Existenz, unsere Herkunft und unser Ziel.

 

Unser Getrenntsein ist die Erfahrung in dieser Welt, aber das Getrenntsein ist nicht unser Normalzustand. Wir sind zur Ewigkeit berufen, zum Einssein mit Gott, zum Einssein mit allem Lebenden.

Und so kann uns jede Erfahrung des Einsseins mit einem Lebenden, jede Erfahrung der Liebe zu einem Fingerzeig Gottes werden.

 

Der Körper ist auch deswegen der Tempel des Hl. Geistes, weil er der Ort ist, an dem wir diese Liebe erfahren können.

Und wenn das so ist, dann dürfen wir doch unseren Körper wertschätzen, sehr sogar. Denn er ist das Instrument, auf dem wir die Liebe erfahren können, das Werkzeug, mit dem wir eine Ahnung davon bekommen, woher wir eigentlich kommen und wohin wir wieder gehen werden: Aus der Liebe und in die Liebe.

 

Wenn Körperlichkeit mit Liebe verbunden ist, dann ist sie immer auch ein Hinweis auf die ewige Liebe.

Und so ist es wie so oft: Am Ende bleibt nur eines: Die Liebe.