9. Februar, 5. Sonntag im Jahreskreis
Lukas 5,1-11
Ein Sprichwort sagt: Probieren geht über Studieren. Diese Regel scheint über dem Kapitel des Lk.Evangeliums zu stehen, das wir gerade gehört haben.
Denn hier zu Beginn seines Wirkens in Galiläa, lässt Jesus seine Jünger eine Erfahrung machen, die in die Richtung dieses Sprichwortes geht: Probieren geht über Studieren.
Eine Erfahrung, die sie wohl ihr ganzes Leben lang prägen wird.
Wenn wir in heutiger Zeit Schwierigkeiten haben, das, was uns im Evangelium etwas bedeutet weiterzugeben, dann hat das sicher sehr unterschiedliche Gründe, Gründe, die oberflächlich betrachtet viel mit den kirchlichen Missständen der vergangenen Jahre zu tun haben, aber nicht nur. Das Auseinanderdriften von Kirche und Glaube ist ja ein viel älteres Phänomen, das mit der Aufklärung begann und mit dem Konsumismus und der Durchdringung aller möglichen Lebensbereiche durch die Wirtschaft, durch Kaufen und Verkaufen ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat.
Wenn man in diesen Zeiten mit offenen Augen und Sinnen die Menschen beobachtet, ob in Deutschland, Österreich, in Belgien oder sonstwo in den meisten europäischen Ländern und ihnen auf den Mund schaut, dann bemerkt man eine Unzufriedenheit, einen Missmut, eine Behäbigkeit und eine Missgunst, die einen immer wieder erschüttern lässt. Über die Gründe kann man spekulieren und sie sind nicht auf einen einzigen zurückzuführen.
Und doch glaube ich, dass es im Grundsatz viel mit dem hohen Stellenwert des Habens und der geringen Wertschätzung des Seins zu tun hat, wie es schon Erich Fromm 1976 festgestellt hat.
Ich stelle mir manchmal einfach nur einmal vor, wie es wäre, wenn all diese Menschen die wirklich FROHE Botschaft gehört hätten, wenn die Kirchen mehr Personal hätten, das die Leute anspricht, wenn wir offene Kirchen hätten, die den Menschen Heimat und Mut machen würden. Wenn ja, wenn wir uns von diesem Jesus so begeistern lassen könnten, wie es die Jünger damals taten. Dann sähe die Welt anders aus. Das Gift, das vor allem die AfD und ihre mehr oder weniger radikalen Schwesterparteien in unseren Gesellschaften nun seit Jahren mit Neid und Missgunst impfen fielen nicht auf fruchtbaren Boden, sondern würden ins Leere zielen. Ja, wenn.
Die Frische der neutestamentlichen Geschichten sind zum Glück immer wieder geeignet, diesen Grauschleier hinwegzureißen, vorausgesetzt man beherzigt sie, lässt sie ihre Wirkung entfalten, glättet sie nicht so, dass sie am Ende doch wieder egal sind.
Deswegen möchte ich lieber, auch heute wieder auf diesen Jesus schauen, auf die Weise, wie er die Dinge vorgelebt hat, wie er seine tiefe Überzeugung weitergegeben hat, auf seine Pädagogik sozusagen.
Was tut er?
Er beginnt mit dem heute gelesenen Zeilen aus dem 5. Kapitel des Lukasevangeliums. Er macht seinen Glauben öffentlich. Das Volk, heißt es, drängt sich um ihn, um das Wort Gottes zu hören. Und er geht darauf ein. Er betätigt sich also als Lehrer. Aber es genügt ihm nicht, immer nur die große Masse zu lehren. Er braucht Mitarbeiter, Helfer, die ihn unterstützen, deswegen gibt er nach dem allgemeinen Unterricht sozusagen noch einige Förderstunden für seine Jünger.
Und das tut er nicht so sehr mit Worten, sondern dadurch, dass er die Jünger etwas tun lässt. Er lässt sie das tun, worin sie Experten sind, worin sie sich auskennen: Fischen. Obwohl es nach vergeblicher Liebesmüh aussieht, obwohl es gegen jede Erfahrung spricht, am helllichten Tag hinauszufahren, wo sich alle Fische auf dem Seegrund verzogen haben, lässt er sie hinausfahren. Und sie machen den Fang ihres Lebens.
Petrus spürt dabei, dass es hier irgendwie nicht mit rechten Dingen zugeht. Dass es um mehr geht als um das Fischfangen. Erst die Predigt Jesu und dann dieser Fischfang. Er kann nur sagen: Herr, geh weg, ich bin ein Sünder. Er spürt, dass hier etwas Größeres im Spiel ist als nur sein eigenes menschliches Können. Er spürt, dass göttliche Macht ihn ergriffen hat und durch ihn gewirkt hat. Das lässt ihn erschrecken – vor seiner eigenen Kleinheit, davor, dass er gezweifelt hat, aber auch vor der göttlichen Größe. Seine menschliche Schwachheit und die Stärke Gottes sind zusammengekommen. Das hält er nicht aus: Herr, geht weg- ich bin ein Sünder, so kann ich Dir nicht unter die Augen treten.
Aber Jesus macht ihm nur klar, worauf es ihm mit dieser Lektion ankommt: er will ihm ja nicht Angst machen, sondern: Fürchte dich nicht, von jetzt an wirst Du Menschen fangen.
Jesus hat beispielhaft deutlich gemacht, worauf es ihm ankommt, und wozu er auch seine Jünger auffordert: Aus der großen Menge der Menschen hat er einige, nämlich sie als gewöhnliche Fischer ausgewählt; an ihnen macht er besonders deutlich, was grundsätzlich für alle Menschen gilt: berufen zu sein, zu Gott zu gehören.
Und die Fischer wiederum haben aus der großen Menge der Fische im See ein volles Netz an Land gezogen. Genauso sollen sie es mit Menschen machen: Menschen an Land ziehen, Menschen gewinnen für das, wovon sie überzeugt sind: dass das Leben mit diesem Gott Jesu menschliches Leben erst wirklich sinnvoll macht.
Auch wenn es viele Fische waren, die dort im Netz geblieben waren, im Vergleich zur Gesamtzahl der im See lebenden Fische war es eine geringe Zahl.
Vielleicht auch das ein Bild für die Erfahrung, die jeder macht, der seine Glaubensüberzeugungen an andere weitergeben möchte: sie wird nicht von jedem angenommen, einer ist dazu bereit, ein anderer eben nicht. Das bleibt ja immer wieder das große Rätsel: Man selbst ist berührt von der biblischen Botschaft und anderen ist sie vollkommen egal.
Warum ist das so? Die Frage kann sich ja ebenso auf die heutige Stelle des Evangeliums beziehen. Denn dieses fünfte Kapitel bei Lukas ist das der Berufung der zwölf Apostel.
Auch hier die Frage: Warum nur die zwölf, warum nicht mehr, warum nicht alle? Wohl, weil nicht jeder bereit ist, sich darauf einzulassen, nicht jeder dafür offen ist.
Es ist einfach so. Es war auch nie anders.
Selbst wenn es mal so etwas wie eine Volkskirche gegeben hat, dann heißt das ja noch lange nicht, dass alle Getauften überzeugte Christen waren. Es ist immer nur ein Teil, immer nur eine bestimmte Zahl von Menschen. Jesus hat die gefunden, die offen für ihn waren, die, die von ihm begeistert waren.
Berufung der zwölf Apostel- das klingt immer so als hätten alle Menschen Schlange gestanden, um Apostel zu werden und Jesus hätte dann ausgewählt und die Ausgewählten hätten es als das große Los empfunden. Nein, es ist wohl viel simpler:
Auch Jesus, auch dieser doch bis heute so überzeugende Mensch, dieser Sohn Gottes, stieß auf Widerstand.
Einige folgten ihm und andere eben nicht.
Mir nimmt das den Druck, alle erreichen zu müssen; es gibt aber auch den Mut, es immer mal wieder zu versuchen: Probieren geht über Studieren eben.
Jesus hat seine Jünger die Erfahrung machen lassen, dass sie können, was er ihnen zutraut. Er hat sie spüren lassen, dass Dinge möglich sind, die sie nicht erwartet haben, wenn ER ihnen den Auftrag dazu gibt.
Diese Erfahrung trägt und prägt sie. Sie gibt ihnen die Kraft auch in Erfolglosigkeit nicht zu resignieren.
Ich frage mich, ob dieser Jesus nicht auch in meinem Leben nach dem Grundsatz vorgeht: Probieren geht über Studieren. Vielleicht ist er gerade dann da, wenn ich meine, dass alles doch eh keinen Zweck hat. Da plagt man sich die ganze Zeit für nichts und wieder nichts. Da redet man sich den Mund fransig und nichts passiert. Und Jesus sagt: Probiere es noch einmal; und dann passiert etwas, was ich nicht zu träumen wagte.
Ein Fischer muss immer wieder das Netz auswerfen, bis er den Fang seines Lebens macht. Aufgeben passt nicht zum Fischer, Aufgeben passt nicht zum Menschen, nicht zum Christen. Wenn wir sagen, es hat ja doch keinen Zweck, dann geschieht nichts. Wenn wir uns vom Grundsatz leiten lassen: „Probieren geht über Studieren“- dann ist alles möglich.
Deswegen ist dieses Evangelium so ein ermutigendes. Es ist so optimistisch, so anders als die vielerorts vorzufindenden Grundstimmung der Nörgelei und Unzufriedenheit.
Wir sind so oft in der Gefahr vorzeitig aufzugeben, zu sagen, dass das sowieso nichts mehr wird.
Offenbar kann es auch anders gehen, wie die Jünger auf Jesu Anraten hin erfahren konnten. Wider alle Erfahrung waren die Netze voll; warum sollte nicht wider alle Erfahrung etwas gelingen, von dem wir geglaubt haben, dass es unmöglich sei.
Dieses Evangelium ist ein Evangelium gegen die Mutlosigkeit: Probiert es, immer wieder, lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen, macht was draus. Ich bin bei Euch.