HERZLICH WILLKOMMEN

Not lehrt beten, hieß es früher immer.  Vielleicht stimmt das auch heute noch. Zumindest aber trifft es nicht mehr für unsere Kirchen zu. Wenn es so wäre, müssten diese voller und voller werden- doch das Gegenteil ist der Fall, denn immer mehr Menschen wenden sich von diesen ab. Die Zeiten, in denen es vielen Gewissensbisse gemacht hätte, sich auch nur einen Austritt vorzustellen sind lange vorbei.

Einige Gründe liegen auf der Hand, denn die nun für alle offensichtliche Missachtung von inzwischen gesellschaftlich allgemein anerkannten Normen durch die Kirchenleitungen haben zu Erschrecken, Misstrauen und Wut geführt. Die Opfer so vieler Taten wurden ins Abseits gedrängt, während die Täter, geschützt durch Schweigen und um den Ruf ihrer Kirche besorgte „Hirten“, weiterhin und andernorts ihren bösen Neigungen nachgehen konnten. Diese offensichtlichen Gründe haben eine Entwicklung beschleunigt, die man auch als eine Emanzipierung von bisher anerkannten Autoritäten bezeichnen könnte. Menschen, denen in den meisten anderen Bereichen der Gesellschaft vermittelt wird als Individuum selbst für sich und ihr Tun verantwortlich zu sein und dazu die Freiheit der Entscheidung zu haben, wollen sich in den intimsten Bereichen des Lebens einfach nicht mehr vorschreiben lassen, was sie wie zu tun haben- vor allem nicht von einer Institution, die so offensichtlich gegen ihre eigenen Regeln verstoßen hat. Auch wenn mit dem „Synodalen Weg“ in Deutschland der mühsame und steinige, aber auch hoffnungsvolle Weg der Veränderung begonnen wurde, haben doch immer noch viele den Eindruck gerade mit Blick auf die Reaktionen aus Rom, dass diese Institution insgesamt immer noch nicht bereit ist, an den Prinzipien und Regeln, die diese Verstöße erst ermöglicht haben ernsthaft zu arbeiten, so dass eine große Zahl von bisher treuen Kirchenmitgliedern nur noch den Austritt als Weg ihres Protestes sehen, auch weil dazu noch die Hälfte der Menschheit von den Schlüsselpositionen dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist, nur weil sie als Frau und nicht als Mann geboren wurde.

Wann immer ich als Pfarrer von St. Paulus ins Gespräch mit Menschen komme, höre ich heraus, dass sie davon überrascht sind, in unserer Gemeinde trotz ihrer vermeintlichen „Verfehlungen“ willkommen zu sein. Dabei wird zwar übersehen, dass an gar nicht so wenigen Orten inzwischen Gemeinden anders handeln und offene Orte geworden sind, an denen vieles möglich ist, was früher undenkbar schien. Aber der Gesamteindruck ist immer noch von den alten Verboten und Regeln bestimmt und davon, was die Öffentliche Meinung deutlich und lautstark vertritt, ohne auf die vielen Pflänzchen der Veränderung und der Hoffnung zu schauen, die an zahlreichen Orten wachsen und gedeihen.

Deswegen aber, will ich hier noch einmal deutlich sagen:

Wenn Ihnen z.B. der Empfang der Hl. Kommunion wichtig ist, Sie an die Gemeinschaft mit Jesus Christus darin glauben können, ist es in St. Paulus völlig gleichgültig, ob Sie eingetragenes Mitglied der Kirche sind, ob Sie geschieden sind oder einer anderen christlichen Konfession angehören. Der Glaube an den erlösenden Heiland verbindet uns, nicht unsere moralische Reinheit oder unsere eingetragene Mitgliedschaft.

Und wenn Sie Ihr Kind taufen lassen möchten, ist es völlig gleichgültig, ob Sie als Eltern aus Mutter und Vater, Mutter und Mutter oder Vater und Vater bestehen. Entscheidend ist, dass Sie Ihr Kind im christlichen Glauben erziehen möchten und wollen, dass es die Liebe Gottes und seine Barmherzigkeit erlernt, um anderen Menschen mit den Regeln von Nächstenliebe und Gottesliebe zu begegnen; ja dann sind Sie bei uns herzlich willkommen.

Wenn Sie sich auf den Weg machen wollen, Gott als Ihren Ursprung und als Ihr Ziel (wieder-)zuentdecken, dann sind Sie herzlich willkommen; und ich hoffe mit Ihnen, dass Sie dazu bei uns einen Zugang finden.

Und wenn Sie sich für andere einsetzen wollen, sich sozial engagieren wollen, dann ist völlig gleichgültig, ob Sie religiös sind oder nicht. Die Liebe zu den Menschen verbindet uns dann.

Sollten Sie überlegen, aus der Kirche auszutreten, bitte ich zu bedenken, ob es nicht möglich wäre, zunächst einmal nur zur Seite zu treten. In St. Paulus sind Sie herzlich willkommen, mit Ihren Fragen, Ihren Anregungen, auch mit Ihrer Trauer und Wut über eine Kirche, von der Sie vor vielen Jahren vielleicht einmal  Großes erwartet haben. Und wenn Sie auch bei uns enttäuscht werden, dann ist es immer noch früh genug, den Austritt zu vollziehen. Dann sollten Sie aber wissen, dass uns das nicht gleichgültig ist, denn wir meinen, dass der Weg Jesu Christi nach wie vor ein Weg ist, der uns allen als Individuen, aber auch als Gesellschaft gut tun würde- also: HERZLICH WILLKOMMEN,

Ihr Pfarrer
Wolfgang Severin