4. Advent, 18. Dezember
Vor kurzem las ich einen Artikel über „Helden in der Josef-Rolle“. Es ging um Männer, die ihre Liebste beim Einkaufen begleiten und dann stundenlang vor einer Umkleidekabine oder einer Parfümerie warten, bis das passende Teil gefunden ist.
Andere sprechen abschätzig von einer „Josefs-Ehe“: Gemeint ist eine Ehe, die nicht vollzogen wird. Sei es aus religiösen Gründen, sei es, weil der Mann zu alt oder zu schwach dazu ist.
Ähnlich ist die Darstellung von Josef auf vielen Bildern der Weihnachtsgeschichte: Er steht etwas abseits, wirkt unbeteiligt, manchmal fast trottelig und scheint eher eine Statistenrolle einzunehmen.
Josef steht eigentlich immer am Rand. Wenn man sich überlegt, wie man eine Krippe aufbaut, kommt Josef eben neben die Maria. Aber eigentlich hat er keine große Bedeutung.
Ein Bekannter hat von der Taufe seines Patenkindes erzählt. Als Pate stand er gemeinsam mit Geschwistern, anderen Paten und weiteren vorne am Taufstein. Als die Taufe vorbei war, greift sich der Pfarrer die Taufkerze, zündet sie an, sagt einige schöne Worte. Dann hält er inne, schaut die Tauffamilie an und sagt zum Vater: „Die kriegst du. Du sollst nicht herumstehen wie der Josef an der Krippe“.
„Herumstehen wie der Josef an der Krippe“ – da hätten wir das wieder. Oft genug ist das so. Alle sind in Bewegung, alle haben zu tun. Die Hirten. Die Weisen, Maria usw. – aber Josef?
Er hat nur eine Nebenrolle. Unbedeutend.
Und dann auch das noch: Er muss mit einem Skandal umgehen. Seine Verlobte ist schwanger. Ein uneheliches Kind. Damals: Schwierig… Er muss annehmen, sie sei fremdgegangen. Josef wird aber „gerecht“ genannt.
Er befolgt das Gesetz des Mose. Da bleiben ihm eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Er könnte Maria anzeigen und als vermeintliche Ehebrecherin vor Gericht stellen. Das Urteil dafür ist im fünften Buch Mose vorgegeben: Die Frau soll gesteinigt werden. Die andere Möglichkeit wäre, ihr einen Scheidebrief auszustellen und sie zu entlassen. Dann wäre sie lebenslang geächtet, ihre Ehre wäre für immer angetastet. Josef will keins von beiden. Offensichtlich liegt ihm Maria trotz allem am Herzen. So entschließt er sich, Maria heimlich zu verlassen. Die Urteile würden dann nicht Maria, sondern ihn treffen. So würde er, der Schuldlose, alle Schuld auf sich nehmen und zum Vorbild für das Kind der Maria werden. Jesus aber wäre als uneheliches Kind einer verlassenen Braut geboren worden. Dieser vermeintliche Ausweg war aber nicht Gottes Weg. Josef war im Begriff, sich selbst aufzugeben, nur um Maria nicht den Richtern auszuliefern. Da greift Gott ein.
In Evangelium wird uns berichtet, wie ein Engel Josef im Traum „aufklärt“: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“. Welcher heutige Mann würde aufgrund eines Traums so handeln wie Josef?
Josef tut, was der Engel ihm sagt. Er heiratet Maria und übernimmt damit die Verantwortung als Vater. Das beginnt damit, dass er dem Kind den Namen gibt. Das fiel in die Zuständigkeit des Vaters. Gottes Sohn wird so von einem Handwerker adoptiert. Josef zieht ihn auf wie sein eigenes Kind. Rechtlich gesehen ist Josef der Vater Jesu. Jesus wird damit in den Stammbaum von David eingefügt. So kommt es zur Erfüllung der Verheißungen, dass der Messias als „Spross aus dem Hause Davids“ geboren werde.
Josef ist bereit, Gott zu folgen. Ein spannender Weg liegt vor ihm. Als der Befehl des Augustus zur Volkszählung kommt, muss er nach Bethlehem, um sich dort in die Steuerlisten eintragen zu lassen. So kommt es, dass er aus Nazareth aufbricht. Mit seiner hochschwangeren Frau macht er sich auf den Weg nach Bethlehem.
Josef bleibt bereit, Gott zu folgen. Mit seinem Gehorsam trägt er seinen Teil zur Geschichte Gottes mit uns Menschen, zur Heilsgeschichte bei.
Und trotzdem hören wir von Josef dann nur noch, als er mit Maria zusammen den 12jährigen Jesus in Jerusalem sucht. Danach verschwindet er von der Bildfläche. Wenn von der Familie von Jesus die Rede ist, wird Josef nicht mehr genannt. Ist er früh gestorben? Es könnte sein, denn Jesus wird einmal „Sohn der Maria“ genannt. Aber wir wissen es nicht. Die Spuren von Josef verlieren sich im Dunkeln.
In der dritten Strophe vom Weihnachtslied Ihr Kinderlein kommet heißt es: „Maria und Josef betrachten es froh“. Was dem Josef da im Stall von Bethlehem wohl alles durch den Kopf gegangen ist?“
Ein Kind, das nicht seines ist. Und trotzdem übernimmt er die Vaterpflichten. Heute in der Zeit der Patchworkfamilien nichts Außergewöhnliches. Damals kein vorgesehener Lebensentwurf.
In der Bibel wird uns nicht gesagt, dass Josef froh dabeistand. Aber ich gehe davon aus, dass es so war. Dass Josef ein Ja hatte für den Platz in der Geschichte, den Gott für ihn bestimmt hatte. Er hatte ihn sich nicht ausgesucht, aber angenommen.
Von Josef kann man lernen, ein Ja zu finden zu dem Platz, an den Gott einen stellt. Auch dann, wenn es eine Nebenrolle ist. Auch dann, wenn ich scheinbar unbedeutend bin. Für Gott ist es wichtig.
Josef durfte Gottes Sohn ins Leben begleiten. Viele unter uns stehen auch vor einer Josefsaufgabe: Wir dürfen junge Menschen ins Leben begleiten, als Eltern, als Großeltern, als Lehrer, als Freunde, als Verwandte, als Nachbarn. Gott hat sie uns anvertraut. Es kommt darauf an, dass wir nicht einfach rumstehen wie ein Trottel oder meinen, wir seien überflüssig.
„Josefs-Dienst“ an jungen Menschen heißt: Dabei sein, sie begleiten, Anteil an ihrem Ergehen nehmen. Sie im Gebet vor Gott bringen. Und das alles im Wissen: Das Kind ist nicht meines. Auch dann, wenn es mein leibliches Kind ist. Es ist nur von Gott geborgt. Gott hat mir eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen zugewiesen. Aber ein Mensch ist nie mein Besitz. Ich muss ihn auch wieder loslassen können. Wie Josef.
Das Leben von Josef wurde verändert, weil er hineingenommen wurde in die Geschichte Gottes mit den Menschen. Er war bereit dazu. Er ließ sich das gefallen, auch wenn er nicht die Hauptrolle bekam. In dieser großen Dimension könnte ich versuchen mein Leben in dem nun zurückliegenden Jahr zu verstehen.
Jesus hat mich hineingenommen in die große Geschichte Gottes mit den Menschen. Er hat mir einen Platz gegeben. An diesem Platz bin ich wichtig.
Zurück zum Stall in Bethlehem.
Da steht er nun, der Josef und hält die Laterne. Wenn er nicht gerade Windeln wechselt, ist seine Rolle eine eher passive. Er steht da, als wollte er sagen: „Ich habe nichts dazugetan. Das Kind, ich habe es nicht hervorgebracht, ich bin nicht der stolze Erzeuger. Eigentlich kann ich es nur empfangen, als Geschenk von Gott.“
Ob Josef damit ein Vorbild für den „neuen Mann“ ist, kann dahingestellt bleiben. Es ist nicht ganz nachzuvollziehen, warum Josef meist nur ein Schattendasein führt und nur als Statist in der Weihnachtsgeschichte vorkommt. Eigentlich hat er einen Oscar für die beste Nebenrolle in der Weihnachtsgeschichte verdient.
Wenn Sie also dieses Jahr eine Krippe aufstellen (vermutlich ist das längst geschehen), dann holen Sie Josef aus der Ecke heraus und geben Sie ihm einen Ehrenplatz für die beste Nebenrolle der Weihnachtsgeschichte.
Das wichtigste aber ist: Josef ist ein Vorbild des Glaubens bis heute. Nicht nur für Männer, sondern für alle: Jesus, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, ist von Gott in diese Welt gekommen. Nicht wir Menschen haben ihn gemacht. In ihm kommt Gott. Dass er kommt, haben wir nicht verdient. Ihn können wir deshalb nur empfangen, als Geschenk, als Gottes Gabe. Wenn wir Menschen einander ein Geschenk machen, gehört es sich, dass wir „danke“ sagen. Gott hat uns unendlich viel mehr geschenkt als wir einander schenken können. Weihnachten kommt zum Ziel, wo ich „danke“ sage. Wo ich staunend, dankbar und anbetend vor der Krippe stehe: Das alles hast du, Herr, für mich getan! Auch für mich bist du gekommen!
So kann der Hl. Josef, obwohl dieser in der Bibel stumm bleibt, uns noch so viel sagen.