Pfingsten, ök. Gottesdienst

Pfarrerin Katja Baumann, Emmausgemeinde Brüssel

Pfingstpredigt zu Johannes 14,15-19.23b-27

 

Liebe Gemeinde,

eine meiner ersten Beobachtungen nach meinem Umzug nach Belgien im vergangenen Sommer. Was für ein Sprachwirrwarr, hier in Brüssel! Am Samstagvormittag spazierten wir über den Markt in Stockel und bewunderten die Auslagen, Fisch- und Meeresspezialitäten, französische Käsesorten und Leckereien aus der Patisserie. Und dazwischen dann die Gespräche zwischen Kunden und Verkäufern – auf Französisch „Bonjour, madame“. Am Brotstand und auch beim Käse dann eher Niederländisch und mit den Expats wurde Englisch gesprochen. Und zwischen den Ständen liefen die Kunden, unterhielten sich …. auch auf Spanisch, immer wieder hörte ich deutsche Worte und freute mich immer besonders, wenn auch ein paar finnische Worte dabei waren. Auch die habe ich hier in Brüssel tatsächlich immer wieder gehört, mitten auf der Straße. Was für ein buntes fröhliches Sprachwirrwarr! Die Verständigung klappte, denn mindestens eine gemeinsame Sprache fanden alle. Die Mehrsprachigkeit hatte mitgeholfen, die alte babylonische Sprachverwirrung zu mildern.

Dass Mehrsprachigkeit einen Zugang zu Menschen öffnen kann, beobachtete ich auch bei meinem ersten Einsatz als Begleitung einer Schülergruppe bei „Serve the city“. Die Kinder schmierten eifrig Sandwiches und packten dann die Trolleys voll, auch mit Heißgetränken und Hygieneartikel. Das alles sollte dann in der Innenstadt an Obdachlose verteilt werden. Die Kinder taten dies auch, anfangs sehr ängstlich, zögernd, zurückhaltend. Hier waren Kenntnisse der osteuropäischen Sprachen gefragt. Als wir an der Metrostation Porte de Namur verteilten, kam eine Schülerin zu mir, ziemlich betreten und erzählte. Ein Obdachloser hätte mit ihr in ihrer Muttersprache Rumänisch begonnen zu reden. Er sei schon ganz lange hier in der Brüssel, verbringe seine Tage in der Metro und bettelt. Er würde gerne wieder nach Hause gehen. Und er sei so traurig.

Die gemeinsame Sprache hatte die beiden für einen Moment in Verbindung gebracht. Was wir anderen uns vielleicht in etwa so dachten, vermuteten, uns allenthalben still in uns selbst zusammenreimten oder auch befürchteten. In wenigen klaren Worten hat das Mädchen verstanden, worum es geht und von Herzen mitgelitten mit dem fremden Mann, mit dem sie die Muttersprache teilte.

Eine weitere denkwürdige Begegnung. Ende Februar dieses Jahres verfolgte die Welt den Besuch des ukrainischen Präsidenten in Washington. Ein Rohstoffdeal sollte unterzeichnet werden, doch so weit kam es gar nicht. Der ukrainische Präsident verzichtete auf einen Dolmetscher, fühlte er sich doch nach drei Jahren Krieg und vielen Zusammentreffen mit ausländischen Staatschefs sicher auf dem diplomatischen Parkett und auch sicher in der englischen Sprache. Doch das hatte er nicht erwartet. Fragen nach seinem Outfit, kleine sprachliche Feinheiten, die den Ton bestimmten, und obgleich sie doch alle dieselbe Sprache sprachen, wollte die Kommunikation nicht gelingen. Das Gegenteil trat ein, verletzt, brüskiert, gedemütigt ging man auseinander.

Was da wohl für ein Geist wehte? Oder war dies ein Zeichen einer gänzlich geistlosen Begegnung und des Nichtverstehenwollens?

Woran könnte man den einen guten Geist, gar einen Heiligen Geist erkennen? Blicken wir miteinander auf das biblische Zeugnis.

Von einem großen Brausen und Feuerzungen erzählt der Evangelist Lukas in der Apostelgeschichte. Dieser große brausende Sturm und das Feuer, das vom Himmel regnete machten einige ziemlich niedergedrückte Fischer mutig, so dass sie begannen, öffentlich zu predigen und zwar gleich so, dass sie in vielen verschiedenen Sprachen gleichzeitig gehört und auch verstanden wurden. Es ist eine wundervolle, dynamisch-stürmische, lebendige Beschreibung des Pfingstereignisses.

Der Evangelist Johannes hingegen nimmt uns in den Versen, die wir nun in mehreren Sprachen wiederholt und gehört haben, auf einen anderen Weg mit, um dieser göttlichen Gestalt, um dem Geist, den die johanneische Gemeinde den Heiligen Geist, das Pneuma hagion, nennt, näher zu kommen.

Es ist das Pneuma, das wir als Geist Gottes schon kennen. Wir kennen es vom Anfang der Schöpfungsgeschichte, als der Geist Gottes über dem Wasser schwebte und als Gott dem ersten Menschen den Atem einblies, und damit Lehm und Erde zu einem lebendigen Wesen wandelte. Es ist der sanfte Atem Gottes, den die Jünger empfangen, als ihnen der auferstandene Christus am Ostermorgen begegnet und ihnen mit den Worten „Nehmt hin den Heiligen Geist“ den Atem des Lebens einhaucht.

Was ist das für ein Geist, von dem Jesus in dieser Abschiedsrede im Johannesevangelium spricht? Es ist kein beliebiger Geist, kein Wind, der kommt und geht oder der weht, wo er will. Jesus spricht mit diesen Worten von ihm. Er spricht von einem anderen Tröster, er bezeichnet ihn als Geist der Wahrheit, er verspricht ihn denjenigen, die in Liebe mit ihm verbunden sind und er vollendet sich im Frieden, der erschrockene Herzen zur Ruhe kommen lässt.

Gehen wir dem noch etwas nach.

„Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben.“

Damit kündigt Jesus das Kommen des Geistes an und er unterscheidet den Geist von seiner eigenen Person. Jesus geht und schickt an seiner Stelle den Geist. Jesus tritt selbst als Vorläufer auf und verhält sich zum Kommen des Geistes wie Johannes der Täufer zu seinem Kommen. Für die johanneische Gemeinde bedeutet dies eine unglaubliche Stärkung. Um die erste Jahrhundertwende herum konnte niemand mehr Jesus zu Lebzeiten begegnet sein, die Himmelfahrt war schon lange her und eine Jesus-Nostalgie war zu wenig, um den Glauben lebendig zu halten.

Aber der Heilige Geist, genauso von Gott gesandt, der war gleichwertiger Ersatz.

Gott lässt die Menschen nicht als Waisen zurück, nicht die johanneische Gemeinde und auch nicht uns. Gott ist da und er ist gegenwärtig, spürbar und erlebbar im Heiligen Geist, auch hier und auch jetzt.

Was kann der Heilige Geist, der hier als dieser Tröster bezeichnet wird? Martin Luther beschreibt es mit diesen Worten: „Tröster aber heißt, der ein betrübt Herz lachend und fröhlich machet gegen Gott und heißt dich guts Muts sein, als dem die Sünde ist vergeben, der Tod erwürget, der Himmel offen, und Gott dich anlachet.“

Wunderbare Worte und eine wunderbare Erklärung. Damit jedoch vorerst genug mit Martin Luther. Denn seine Übersetzung des Parakleten mit „Tröster“ ist eigentlich nicht korrekt und kann unsere Sicht verengen. Die katholische Einheitsübersetzung hat den Parakleten wesentlich genauer mit „Beistand“ übersetzt. Und hier macht es Freude, auch die lateinische Bibelübersetzung zu konsultieren, die den Parakleten als Advokat, den Herbeigerufenen korrekt übersetzt. Der Beistand oder Advokat ist einer, der einem in allen Lebenssituationen und gerade auch im Streit und vor Gericht beisteht. Es geht also nicht nur um den Trost in Zeiten des Abschieds und Leidens. Es geht noch viel umfassender um die Unterstützung und Stärkung in jeglicher Lebenslage. Dass man diesen Beistand besonders nötig hat in traurigen und betrübten Zeiten, das steht ja außer Frage. Deshalb passt dann auch irgendwie die Übersetzung mit „Tröster“ wieder ganz gut und sie wurde in der Tradition der Luther-Übersetzung nicht verändert. Denn schließlich ist es doch so, dass die Welt dringend Menschen braucht, die bei Trost sind!

Bei Trost zu sein bedeutet doch, dass die Menschen ihre dunklen Seiten kennen und sie nicht ausleben müssen; dass sie mit Verletzungen, den Leiderfahrungen, die ihnen das Leben zugefügt hat, auch mit Scheitern und Verlusten so gut umgehen können, dass sie nicht andere beschädigen und erniedrigen müssen oder ihnen gar das Leben nehmen. Wir brauchen Menschen und viele davon, die bei Trost sind! Mit ihnen kann sich die Welt verändern und dann, ja dann wird das Antlitz der Erde neu.

Trost und Beistand gibt es nur in Wahrheit. Wir kommen von Ostern her. In der Passionsgeschichte fragt Pontius Pilatus Jesus nach der Überlieferung des Johannesevangeliums: „Was ist Wahrheit?“ Seine Frage bleibt unbeantwortet und läuft ins Leere. Hier nun in Jesu Abschiedsrede, unser Predigttext für diesen Pfingstsonntag, findet sie ihre Antwort. Wahrheit ist nicht beliebig, auch nicht alternativ. Jesus spricht: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.“ In unserem Handeln und in unserer Liebe ist dieser Geist erkennbar, wird sichtbar und erlebbar. Dieser Geist bringt Blüten und Früchte hervor. Jesus spricht vom Geist, der „bei euch“ und „in euch“ sei. Es geht immer um die Gemeinschaft, um das Miteinander. Sprechen wir eine Sprache und gelingt unsere Verständigung auch über verschiedene Sprachen hinweg?

Es ist nicht das Himmelreich auf Erden, dass Jesus seinen Jüngern in diesen Bibelversen verspricht. Sondern es ist Frieden, den er ihnen und auch uns allen gibt. Wir wünschten uns, dass sein Friedensversprechen von dieser Welt wäre und auch für diese Welt gelten würde. Denn damals in der johanneischen Gemeinde wie auch heute ist die Sehnsucht nach Frieden für viele sicherlich die größte und auch schmerzlichste. Sie bleibt auch das Ziel vor Augen, dass Menschen sich als Menschen begegnen, achtsam wahrnehmen und miteinander unter Gottes Schalom leben.

Der Ökumenischen Rat der Kirchen erinnert uns in seiner Missionserklärung an das Pfingstfest, den Geburtstag der Kirche:

„Die Kirche erhält den Auftrag, das Leben zu feiern und in der Kraft des Heiligen Geistes Widerstand gegen alle Leben zerstörenden Kräfte zu leisten und sie zu verwandeln. Wie wichtig ist es doch, den heiligen Geist zu empfangen (Johannes 20,22), um lebendige Zeugen und Zeuginnen des kommenden Gottesreiches zu werden!“

Das lasst uns tun, heute und auch weiterhin und in enger ökumenischer Verbundenheit und gemeinsam. So feiern wir das Pfingstfest, nehmen Jesu Abschiedsgeschenk mit Freuden an und empfangen den Heiligen Geist!