Fronleichnam, 19. Juni
Ich weiß nicht, ob Sie Fußballfan sind. Wenn ja, wird Ihnen aufgefallen sein, dass es jetzt sogar eine Klub-WM gibt, Bayern München hat dabei letzte Woche 10:0 gegen Auckland gewonnen.
Diese WM ist der vorläufige Höhepunkt im FIFA-Wettlauf um immer mehr und immer größer. Das Pferd wird so lange geritten bis es tot umfällt.
Oder: Vergleichen Sie mal ein Auto von heute mit denen von vor zwanzig Jahren: auch die werden immer größer und fahren teilweise wie Panzer durch unsere Straßen. Immer mehr, immer größer
Letzte Woche während der Europatagung des Auslandssekretariates in Paris habe ich wieder einmal über die Massen von Menschen gestaunt, die inzwischen alle instagramfähigen Monumente überlaufen. Ich war einer von diesen 100.000enden. Immer mehr, immer größer
Im Durschnitt sind z.Zt. jeden Tag weltweit gut über 100.000 Flüge registriert. Tendenz? Dreimal dürfen Sie raten: Immer mehr, immer größer.
Kleiner wird nichts mehr, außer dem, was diesem menschlichen Immer-mehr und Immer-größer immer öfter und immer schwerwiegender aus dem Weg gehen muss. Vom Klima spricht ja schon fast niemand mehr, die ungezählten Tierarten, denen wir den Platz zum Leben rauben, gehen unter; Sie können gerne die Liste der Opfer der menschlichen Überdehnung ergänzen. Sie wird, na was wohl: immer mehr und immer größer. Oder in besserem deutsch: immer länger.
Ich habe kein Gegenrezept- jedenfalls keines, das unmittelbar wirkt.
Um nicht zum Misanthropen zu werden, erfreue ich mich immer noch am unbändigen Lebens- und Zukunftswillen kleiner Kinder z.B. Es ist herrlich zu sehen, wie sie sich freuen können, wie sie vertrauensvoll ins Leben gehen und dabei keinerlei Zweifel zulassen, dass irgendetwas daneben gehen könnte.
Und mir hilft mein Glaube. Nicht im Sinne des „ach es wird schon wieder“. Eher im Sinne von „Bei Gott, aus der Sicht der Ewigkeit, wird das Ganze schon Sinn ergeben“. Auch das ist nicht immer einfach, angesichts persönlichen Leids vieler oder dem offensichtlichen Leid so vieler in Gaza, der Ukraine, im Sudan und anderswo.
Aber das bleibt meine Hoffnung: dass das Ganze bei Gott Sinn ergibt und dass wir als Menschen dadurch immer wieder neue Impulse bekommen, uns zu verändern, den Weg Gottes zu gehen, der uns als Christen in Jesus angeboten wird.
Das heutige Fest gibt zwei Antworten:
Die eine ergibt sich aus dem Evangelium von der Brotvermehrung. Da geht es nicht um Immer mehr und immer größer, sondern um das Gegenteil: Das Wenige, das man hat wird geteilt- und daraus erst entsteht Größeres, nämlich alle werden satt.
Das Teilen ist und bleibt der Weg der Christen, auf dass alle satt werden. Für Christen ergibt sich daraus die Verpflichtung, unsere Welt immer wieder so umzubauen, dass niemand hinten rüber fällt. Wir wissen ja, dass alle satt werden könnten, wenn wir es richtig organisierten. Es müsste ja niemand zurückbleiben.
Und das bleibt umso wichtiger in einer Welt, in der man gerade das Gefühl haben muss, dass es eher um „Rette sich wer kann“ geht als um „gerechtes Teilen, damit alle leben können“.
Noch ziehen alle ihr Dingen durch, etwas platt ausgedrückt. Noch versucht jeder sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Wer kann, versucht Seines zu vergrößern und zu vermehren, auch mit bandagierten Ellenbogen, so lange wie es noch etwas zu verteilen gibt. Verbunden mit der Hoffnung, dass es für einen persönlich schon nicht so schlimm wird.
Und nach mir dann, die Sintflut eben.
Nein, Christen dürfen glauben, dass die Sintflut hinter uns liegt. Biblisch gesprochen, hat Gott die Geretteten aus der Arche Noah wieder auf trockenen Boden gesetzt. Sie durften neu beginnen. Gott straft nicht noch einmal.
Aber von da an hatten wir es in der Hand, ob die Erde für alle wieder zum Paradies wird, oder eben nicht.
Ein zweites ergibt sich noch aus dem Fest Fronleichnam: Es wird zwar traditionell groß und prunkvoll gefeiert, aber im Zentrum steht etwas kleines und unspektakuläres: Ein Stück Brot.
Mancher, der nicht mit dieser Frömmigkeit des Festes Fronleichnam groß geworden ist, mag die Anbetung der Hostie für Hokuspokus halten.
Das hält mich aber nicht davon ab, dieses Fest nach wie vor hochzuhalten. Es geht doch nicht um Magie, es geht doch nicht darum, ob in diesem kleinen Stück Brot nun der ganze Jesus zu finden und zu verehren ist oder es eben nur ein Stück Brot ist, dass uns an Jesus erinnert.
Es geht darum, dass Gott im Kleinen groß ist, darum, dass die Ohnmacht des Kreuzes die Macht der Liebe entfesselt. Es geht darum, der Welt und uns selbst zu zeigen, dass Gott auf der Seite der Kleinen steht, dass die vermeintlich Großen nur nach irdischen Maßstäben groß sind. Wir Christen laufen nicht dem Immer mehr und immer größer hinterher, sondern gehen dem kleinsten, unauffälligsten nach. Im kleinen Stück Brot entdecken wir die Größe Gottes. Im kleinen Stück Brot wird unser Hunger nach immer mehr und immer größer gestillt. Wenn, ja wenn wir es nur zuließen, wenn wir uns darauf einließen, wenn wir nicht das goldene Kalb anbeteten, sondern den Gott Jesu Christi.