4. Advent

Lange habe ich über diesen kurzen Satz hinweggelesen.

Dabei ist er die Grundlage für das, was wir gerade in diesem Textabschnitt aus dem ersten Kapitel des Evgl. Lukas gehört haben. Ein Wort, das sich an Maria richtete. Ein Satz, den ich deswegen vielleicht nie auf mich bezogen habe. Er wurde ja vom Engel Gabriel zu Maria gesprochen.

Mir geschehe nach Deinem Wort.

Das ist er, der Satz. DER Satz.

Mir geschehe nach Deinem Wort.

Gabriel hatte ihr diese seltsame Geburt angekündigt, von einem, der der Sohn des Höchsten genannt werden wird. Und sie, so wird es erzählt, reagiert erst verwundert, fragt auch kurz nach, wie das denn passieren soll- aber dann: Mir geschehe nach Deinem Wort.

Zustimmung. Ja, mach mal.

Wird schon.

Passt schon oder wäre Maria eine Kölnerin gewesen: Et hätt noch immer juut jejange.

Eine Grundzustimmung zum Leben, ein Vertrauen, ein Sich-Einlassen auf das, was auch immer geschieht. Leben als Ort, wo man eben jeden Tag mit Überraschungen rechnen muss. Nichts wirklich planbar ist, wo Gutes UND Schlechtes immer schon an der nächsten Ecke warten oder lauern.

Ich sehe es nur noch nicht.

Die Zeit am Ende eines Jahres ist besonders anfällig dafür, über die nahende Zukunft nachzudenken.

Wir werden uns oft in den nächsten Wochen ein gutes neues Jahr wünschen- aber oft wird der Satz nachgeschoben werden, dass es hoffentlich besser wird als das Vergangene. Ein Grundpessimismus hat sich breit gemacht, ein Grauschleier hat sich wie Mehltau auf viele gelegt und unsere Gesellschaft erfasst. Nicht jeden natürlich, aber doch viele, ein Effekt, der durch die Medien noch verstärkt wird.

Und er ist ja auch nachvollziehbar. Die Gründe muss man ja gar nicht mehr aufführen. Sie schwirren einem ständig um die Ohren, durchdringen mit ihren Befürchtungen, Sorgenfalten und Bedenken unser Leben und für viele reicht der eigene Schutzmantel nicht mehr aus, um dies alles abzuwehren, lebensmutig zu bleiben, hoffnungsvoll und zuversichtlich.

 

Mir geschehe nach Deinem Wort.

 

Oberflächlich betrachtet könnte man daraus den Schluss ziehen, dass man sich dem Leben, das einem gegeben wurde, das man versucht nach eigenem Gutdünken zu gestalten, zu ergeben oder hinzunehmen. Es manchmal zu genießen und manchmal eben zu hinterfragen. Et kütt wie et kütt, es kommt wie es kommt, ist die andere Kölner Weisheit, die fast an Stoizismus reicht. Sich so festigen, einstellen und abschirmen, dass das Weltgeschehen zwar an mir vorüberzieht, ich dabei aber versuche, eher der Beobachter als der Betroffene zu sein.

 

Dieser Einstellung würde aber nur der erste Teil des erwähnten Satzes entsprechen: Mir geschehe- es passiert eben.

 

Aber um den biblischen Sinn zu verstehen und den daraus sich ergebenden praktischen Teil, muss man schon den ganzen Satz lesen: Mir geschehe nach Deinem Wort! Nach SEINEM Wort.

Maria entgegnet dem ihr begegnenden Engel, dass sie dem glaubt und vertraut, von dem die Nachricht kommt. Wenn Gott das sagt, wenn er mir das ankündigt, wenn das so also sein Wille ist, dann los. Dann bin ich dabei- na klar. Das geht doch gar nicht anders. Nicht nur, weil es in den Augen Marias vermutlich sinnlos wäre, sich dem Vorhaben des Allmächtigen zu widersetzen, sondern vor allem, weil sie diesem Gott nichts Arglistiges, nichts Bedrohliches, nichts Gefährliches zutraut, sondern glaubt, dass es richtig ist, wenn das, was seinem Wort nach geschehen soll, eben so geschieht.

 

Und um das gleich so oft sich einstellende Missverständnis aufzunehmen: Zu glauben, dass mir nichts Negatives mehr zustößt, wenn ich dem Wort Gottes vertraue, entspricht nicht der Lebensrealität, wie viele schmerzhaft am eigenen Leib, an der eigenen Seele feststellen mussten und immer wieder müssen. Nicht unserer eigenen Wirklichkeit, nicht der Wirklichkeit der Heiligen und auch nicht der Wirklichkeit Mariens, schließlich war der Weg ihres Sohnes nicht gerade so, dass er die Mutter sorgenfrei ließ, im Gegenteil:

Am Ende musste sie den größten Kummer ertragen, den eine Mutter ertragen muss: das eigene Kind sterben zu sehen, den Leichnam in den Schoß gelegt zu bekommen, und nichts, aber auch gar nichts mehr für das geliebte Kind tun zu können.

 

Mir geschehe nach Deinem Willen- puh.

 

Sie hat das irgendwie ertragen können, weil sie zwar nicht verstehen konnte, warum das so passieren musste, aber weil sie ein so tiefes Vertrauen darin hatte, dass es für sie zwar keinen Sinn ergab, aber im großen Plan Gottes schon.  Daran wird sie sich festgehalten haben. Wenn Gott ihr durch Gabriel zusagt, dass ihr noch nicht geborener Sohn eines Tages der Herrscher Israels sein wird, dann wird das so sein. Völlig irrsinnig an diesem Versprechen des Engels festzuhalten, wenn der, dem das Versprechen galt, tot auf ihrem Schoß lag. Wie sollte dieser zum ewigen Herrscher Jakobs werden, wie konnte er der Sohn Gottes sein, wenn er gerade am Kreuz gestorben war?

Sie hielt unbeirrt daran fest- jedenfalls wird nichts anderes berichtet.

 

Und wir? Nein, so ein Versprechen ist niemandem von uns gemacht worden. Unsere Söhne und Töchter werden vielleicht das ein oder andere Großartige erreichen, aber zum ewigen Herrscher Jakobs wird es nicht reichen.

 

Aber ohne Versprechen sind wir nicht. Der letzte Satz des Mt.Evgl. ist z.B. so ein Versprechen: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Maria hätte zweifelsohne darauf geantwortet: Wenn das so ist, dann geschehe es. Denn Deinem Wort traue ich zu, dass es wahr ist und wenn Du bis zum Ende meiner Tage und bis ans Ende der Welt bei mir ist, dann ist alles in Ordnung.

 

Mit dieser Haltung hat Maria nicht die Eroberungsgelüste der Römer im Nahen Osten aufgehalten, sie hat damit nicht die schrecklichen Krankheiten, die zum Alltag der damals lebenden Menschen gehörte, beseitigen können, auch damals wurden Menschen schrecklich ungerecht behandelt, mancher wird sein eigenes Leben verflucht haben.

Maria hat für sich geschafft, an der Lebenswirklichkeit nicht zu verzweifeln. Sie hat sich mit ihrer Haltung dem Pessimismus entgegengestellt, den Grauschleier in ihrem täglichen Denken und Fühlen zur Seite ziehen können, weil sie ein Fundament in der Überzeugung gefunden hat, dass Gott ihre Lebensgrundlage ist und sie nie aus dessen Händen fallen kann, egal, was das Leben ihr auch immer zufügen mag.

 

Wie kommt man dahin? Meine Antwort klingt furchtbar fromm, aber gibt meine volle Überzeugung wider: sich in die Hl. Schriften vertiefen, gerade die Evangelien immer wieder zu lesen, diese zu meditieren, damit sich ihr Inhalt mit den Versprechen Jesu an uns setzen kann, seine Kraft entfalten kann.

Vertrauen zu Gott wächst nicht auf den Bäumen, ist nicht bei Amazon zu bestellen, sondern wächst in der regelmäßigen Beschäftigung mit dem Wort Gottes, mit dem Gebet und dem Feiern der Gemeinschaft der Gläubigen im Gottesdienst.

 

In dem Sinne bleibt es hoffentlich nicht nur ein frommer Wunsch von mir für uns alle im neuen Jahr: Was auch immer kommen mag- unsere Lebenswege sind begleitet.

 

Mir, uns geschehe nach seinem Willen.