15. September, 24. So. im Jahreskreis

Immer wieder kommt es vor, dass Angehörige schlechter mit Krankheit, Leid und Tod umgehen können als die Betroffenen selbst. Wenn Menschen einmal akzeptiert haben, dass sie von nun an mit einer schweren Krankheit leben müssen oder sogar bald sterben müssen, dann gilt das noch lange nicht für das Umfeld.

Das reagiert dann mit Sätzen wie „das wird schon wieder“ oder „Unkraut vergeht nicht“- man will das Unvermeidliche nicht wahrhaben.

Manchmal führt das dazu, dass beide Seiten sich vorspielen, alles wäre in Ordnung. Ein offenes Gespräch ist dann nicht mehr möglich. Die Betroffenen trauen sich nicht mehr, das Thema anzusprechen, und die Angehörigen verpassen die Chance, sich Zeit für die Vorbereitung und Verarbeitung des Leidens zu nehmen.

 

Eine ähnliche Situation haben wir im Evangelium vorhin gehört.

Offensichtlich ist Petrus entsetzt über die offenen Worte Jesu. Worin die Vorwürfe genau bestehen, wird nicht berichtet. Vielleicht kann Petrus nicht glauben, dass der Messias, den er gerade in Jesus erkannt hat, leiden muss. Vermutlich will er verhindern, dass sein Idol und Freund, dieser Jesus getötet wird. Vielleicht will er auch nur vermeiden, dass Jesus mit seinen Worten die anderen verschreckt.

Die Auferstehung wird sich Petrus noch nicht vorgestellt haben können und der Weg dahin war offenbar nicht nach seinem Geschmack.

Man könnte meinen, Jesus hätte darauf ein wenig entspannter reagieren können. Hat er aber nicht. Stattdessen fährt er ihn an mit Worten, die man kaum für möglich gehalten hätte: Weg von mir Satan.

Wir ahnen, wie Petrus bedröppelt und verstört da steht.

Sollen Verachtung, Leid und Tod Jesu etwa Gottes Willen sein?

Eine Frage, die uns auf alle Menschen bezogen schon lange beschäftigt. Und niemand kann zufriedenstellend beantworten, wie Gott und die Existenz von Leid zusammenpassen. Auch Jesus tut das nicht.

WAS Jesus allerdings tut, ist offen darüber zureden. Nachdem er Petrus zusammengestaucht hat, erweitert er den Zuhörerkreis sogar, indem er die Umstehenden zusammenruft. Und er ist unverschämt ehrlich. Er macht seinen Zuhörern nichts vor. Er erklärt ihnen zum einen, dass das Kreuz dazugehört, wenn man ihm auf seinem Weg nachfolgen will, und zum anderen, dass niemand das wahre Leben erfährt, der sich vor dem Kreuz drücken will.

Man könnte sagen: Jesus konfrontiert die Menschen mit der Wirklichkeit von Leid und Tod.

 

Durch die Schreckensnachrichten aus aller Welt werden wir heute vielleicht so VIEL mit Leid und Tod konfrontiert wie noch nie. Und gleichzeitig werden wir auch so WENIG damit konfrontiert wie noch nie. Widersprüchlich? Nun, das Leid ist meist weit weg von uns und berührt uns oftmals kaum. Das hat sich erst durch die Flüchtlinge, die bei uns nun ankommen, geändert.

Gerne wird die Angst vor Katastrophen und Krankheiten benutzt, um z.B. neue Gesetze zu schaffen. Oft werden Sicherheitsbestimmungen verschärft. Krieg und Terror, Krankheit und Seuchen, Naturgewalten und Massenpaniken sollen damit kontrollierbar werden. An und für sich keine schlechte Idee. Es wird aber dann zum Nachteil, wenn mit immer neuen Auflagen und Gesetzen, die Realität von Leid und Tod immer mehr ausgeblendet wird.

 

Warum aber stellt Markus Jesus so aufgebracht Petrus gegenüber dar? So sehr, dass er den, der ihn gerade noch als Messias erkannt hat, als Satan bezeichnet.  Warum so heftig?

Vermutlich, weil es um den Kern unseres Glaubens geht, den wir in jeder Messe in einem Satz zusammengefasst ausdrücken: Deinen Tod, o Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.

Ohne Tod gibt es keine Auferstehung, ohne Leid kein Leben.

Deswegen wohl muss Jesus davon sprechen und rüttelt mit seiner heftigen Antwort auch Petrus auf, damit er versteht, wie wichtig und entscheidend das Ganze ist, um das Leben, so wie es ist, zu verstehen.

 

Menschen, die nicht an die Auferstehung glauben, können das hier Gesagte wohl nicht nachvollziehen. „Wenn das Leben mit dem Tod endet, dann ist das halt so, aber ich muss ja nicht ständig daran erinnert werden“ lautet dann die nachvollziehbare Reaktion.

Für denjenigen aber, der an die Auferstehung glauben kann, verliert der Tod etwas von seinem Schrecken, da er nicht mehr das Ende, sondern ein Übergang ist.

Aufhören von der Auferstehung zu sprechen, würde bedeuten, Menschen eine Hoffnung vorzuenthalten, von der wir glauben, dass sie berechtigt ist.

 

Wir erleben in den letzten Jahren, dass Menschen offenbar den Anblick des Kreuzes nicht ertragen können und es aus der Öffentlichkeit verbannen wollen. Nun, es ist keine Augenweide, keine Freude, sich das Leid anzuschauen. Nirgendwo, weder am Kreuz noch im täglichen Leben.

Aber als Christen können wir das Kreuz nicht verstecken, wir würden nahezu zu Verrätern an der Sache Jesu.

 

Deswegen haben vor Jahren als der damalige Vorsitzende der Dt. Bischofskonferenz und sein Kollege von der EKD den Tempelberg in Jerusalem besuchten, ihr Brustkreuz abgenommen hatten, viele Leute so heftig reagiert. Ungeachtet der Umstände, die dazu geführt hatten, wirkte das wie ein Verleugnen der zentralen Botschaft des Christentums.

 

Denn: Wir sehen im Kreuz eben nicht nur Leid und Tod, sondern Auferstehung; Überwindung des Leids, ewiges Leben.

Das Kreuz hilft uns, auch die eigene Wirklichkeit mit offenen Augen anschauen zu können. Ein nüchterner Blick auf die Schattenseiten des eigenen Lebens lässt sie uns anders einordnen, nämlich als einen Übergang.

Wir müssen unser Leid, unsere Schwächen nicht maskieren und unsere Ängste nicht unterdrücken. Wenn wir unser Kreuz auf uns nehmen und mit christlicher Hoffnung tragen, dann werden wir wie Christus selbst zu einem lebendigen Zeichen der Auferstehung. Und das sollten wir niemandem vorenthalten, denn davon kann unsere Welt mehr denn genug gebrauchen.